1. Kapitel – Liam
Unter halb gesenkten Lidern hindurch schielte ich zu den beiden jungen Kerlen, die bereits auf ihren Positionen standen und mich erwartungsvoll ansahen. Nicht drängend, aber doch mit einer gewissen auffordernden Neugier.
Mit einem tiefen Atemzug schloss ich meine Augen vollends, lauschte auf den gleichmäßigen, raschen Takt meines Herzens. Ein wenigzu rasch für einen bevorstehenden Stunt, den ich in meiner bisherigen Laufbahn als Cheerleader schon an die fünfzig- oder sogar hundertmal ausgeführt hatte. Jedoch nie zuvor in diesem Team.
»Willst du’s versuchen?« Emmas Stimme erklang schräg hinter mir, nahe bei mir. In ihr schwang unverkennbar dieser Hauch Hoffnung mit, der einerseits meinen Ehrgeiz befeuerte und mich andererseits nervös werden ließ. »Du kannst den beiden vertrauen, ganz sicher.«
Ihre Worte ließen mich unweigerlich schmunzeln. Vertrauen war nicht das Problem. Nie zuvor gewesen. Zumindest nicht innerhalb eines Cheer-Squads, dem ich angehört hatte. Das Problem war, dass dies hiernoch nicht mein Team war, ich mir aber so sehr wünschte, ich würde am Ende des Trainingstages dazugehören.
Langsam entließ ich die angestaute Luft aus meinen Lungen. Öffnete die Augen. Hob den Kopf und begegnete erneut den Blicken der beiden Jungs, welche die Base bildeten. Hoffentlich baldmeine Base.
›Oh, bitte, lass mich das hier nicht verkacken!‹
»Okay. Auf geht’s!« Entschlossen trat ich vor, bis ich zwischen Andrew und Maxwell stand. Ich musste mich nicht mit einem Blick nach hinten vergewissern, dass Emma ebenfalls ihre Position einnahm. In einem gut eingespielten Squad wusste jedes Teammitglied, was es zu tun hatte.
Unter den gespannten Blicken der Trainerin und der übrigen Cheerleader legte ich Andrew und Maxwell je eine Hand auf die Schulter. Durch ihre dünnen Trikots spürte ich die Wärme ihrer Haut, die Kraft ihrer Muskeln, die mich beruhigte. Und mir damit zum wiederholten Mal vor Augen führte, wie nervös ich tatsächlich war. Doch noch während ich meinen rechten Fuß in die verschränkten Hände der beiden Bases stellte, konnte ich spüren, wie das erleichternde Gefühl von Routine durch meinen Körper floss. Das Team mochte neu sein. Die Menschen, das gesamte College. Dennoch bewegte ich mich auf bekanntem Terrain. Gleich … gleich würde ich wieder fliegen!
Der Moment, in dem Emma das Kommando gab und die Base in die Knie federte, um mich gleich darauf in die Luft zu werfen, schien sich zu einer Ewigkeit zu dehnen. Als konzentrierte sich alles in mir auf meine Fußsohlen, spürte ich, wie Andrew für den Bruchteil einer Sekunde den Hauptteil meines Gewichts trug, seine Finger meine Schuhsohle erst nach Maxwells verließen. Genau so, wie es bei Main und Side Base sein sollte. Dann war ich endlich – endlich! – in der Luft. Mit all der Kraft und Spannung, die ich in meinem Körper aufgebaut hatte, kickte ich mein rechtes Bein bis in die Zehenspitzen durchgestreckt in die Luft. Wie automatisch drehte sich meine rechte Hüfte mit Schwung, meine rechte Schulter unterstützte die Drehung. Den Blick über meine linke Schulter gerichtet, sah ich die gläserne Decke der Halle in der Rotation an mir vorbeirasen. Dann die Wand. Den Boden. Die Wand. Noch mal die Decke und weiter ... Ich flog und fiel. Und wurde an Schultern und Beinen sicher von