II.Eine wissenschaftsbiografische Skizze
In einer der seltenen persönlichen Anmerkungen, die sich in Soeffners Werk finden, heißt es zu Beginn seines Aufsatzes über die taubenzüchtenden Bergleute im Ruhrgebiet:
»Als ich zehn Jahre alt war, zog meine Familie von einer kleinen Universitätsstadt in Süddeutschland in eine der Großstädte des Ruhrgebietes. Nur wenige Straßen von unserem Haus entfernt lag eine Bergmannssiedlung. Die meisten meiner Schulfreunde wohnten dort. Zwanglos wurde ich zum Mitglied ihrer ›street corner society‹. Ich trieb mich nach der Schule mit ihnen herum, profitierte von den Nachkriegssegnungen des Bergmannsstandes (Kohle-, Holz- und Lebensmittelzuweisungen) und sah, wie am Abend viele der Bergleute unmittelbar zu denen gingen, die sie am meisten anzuziehen schienen: zu ihrem Tauben« (SOEFFNER 1992-6: 131).
Als biografisch prägend erweisen sich Soeffners Kindheit und Jugend im Ruhrgebiet. Er entstammt einer Familie, so Soeffner 2005 im Interview mit Ronald Kurt, »die früher zum Bildungsbürgertum gezählt worden wäre, die aber ins Ruhrgebiet verpflanzt worden ist und, was mich angeht, die sich da auch wohl gefühlt hat« (Soeffner in KURT 2006: 185).
Hans-Georg Soeffner wird am 16. November 1939 in Essen geboren, wird während des Krieges mit seiner Mutter und Schwester ›evakuiert‹ und verbringt den größten Teil der folgenden Jahre in Tübingen. Er ist zehn Jahre alt, als die Familie nach Essen zurückkommt und in die Nähe der erwähnten Bergmannsiedlung zieht, die zur Zeche Ludwig im Essener Süden gehört. Von 1950 an besucht Soeffner das Essener Helmholtz-Gymnasium, eine Schule mit einem ausgeprägten Schwerpunkt im Sport. Das kommt dem sportbegeisterten Soeffner entgegen, der später nicht nur Fußball spielen, sondern auch rudern, boxen und klettern wird. Biografisch bedeutsam wird die Schule aber wegen eines Kurses über Martin HeideggersWas ist Metaphysik?, den ein ehemaliger Schüler Heideggers anbietet und über den Soeffner zur Philosophie kommt.
Soeffner studiert ab 1960 zunächst an der Eberhard Karls Universität Tübingen Philosophie und Germanistik. 1962 geht er für ein Jahr an die Universität zu Köln, kehrt von dort zunächst nach Tübingen zurück und wechselt 1964 schließlich an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er 1966 sein Studium mit dem Ersten Staatsexamen abschließt.
In Tübingen besucht Soeffner Vorlesungen des Volkskundlers Hermann Bausinger, des Altphilologen Wolfgang Schadewaldt und des Philosophen Walter Schulz, der sein Denken nachhaltig beeinflussen wird. Schulz macht ihn mit Immanuel Kant un