: Markus Mittmansgruber
: Austreibungen
: Luftschacht Verlag
: 9783903081673
: 1
: CHF 10.70
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 450
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Um einer soliden Obsession professionell nachgehen zu können, braucht man idealerweise jemanden, der einem dabei hilft: Durch Zufall kreuzen sich die Wege von Pharmavertreter Thomas Nebig und Museumsaufseher Andreas Geierhos. Die beiden freunden sich an, und es sieht so aus, als würde ihnen zu zweit die Verwirklichung ihrer geheimen, obsessiven Wünsche gelingen. Bis dunkles Misstrauen zwischen ihnen aufkeimt und alles aus dem Ruder laufen lässt. Zur gleichen Zeit schlägt sich Paul Nebig, Kunst-Journalist, mit seiner tiefen Verachtung des Bruders Thomas und dem Schreiben eines provokativen Magazinartikels herum. Ein schmerzhaftes Ereignis im Kino verhindert, dass er den Artikel beenden kann. Ein neuer Auftrag führt ihn mit seiner Frau Cornelia nach Italien - auf eine Reise, von der das Paar nur unvollständig zurückkehrt. Was wiederum die Eltern der Nebig-Brüder auf den Plan ruft: Man will Klarheit. Mit großer Fabulier- und Sprachlust hat Markus Mittmans­gruber mit seinem zweiten Roman Austreibungen eine beeindruckende Erzählung über die boshaften Grauzonen des Lebens, über fixe Ideen, Irritationen und Triebe erschaffen. Und über die Menschen, die diese sehnsüchtig und bis zum bitteren Ende aneinander austragen.

Markus Mittmansgruber, geboren 1981 in Linz, studierte Philosophie an der Universität Wien. Veröffentlichungen in diversen Literaturzeitschriften. 2016 erschien sein Debütroman 'Verwüstungen der Zellen'. Titel bei Luftschacht: Austreibungen (2019) Verwüstung der Zellen (2016)

Von Drüsen und Träumen


Das soll mal ein normaler Mensch kapieren, diese Sachen. Er saß an seinem Schreibtisch vor den Unterlagen zur Verlängerung der Unfallversicherung, als Johanna von der Arbeit nach Hause kam. Thomas hörte sie leise vor sich hin schluchzen. Er stand auf und ging in den Flur. Seine Frau lehnte beim Schuhregal, noch in den lackschwarzen Stiefeln und im Mantel. Er fragte, was passiert sei, bekam aber keine Antwort. Und als er seine Arme ausstreckte, um ihr aus dem Mantel zu helfen, schüttelte sie sich nur, als wollte sie radioaktive Tröpfchen aus ihrem Fell loswerden, ihre Schultern zuckten, und er ließ seine Hände sinken. Dann lehnte er sich gegen den Türrahmen und schaute ihr zu, wie sie sich aus den Kleidern schälte. Ihre Lippen zitterten ein bisschen wie Laub, und auf ihren Wangen lag eine Patina, die ihr Profil im Vorzimmerspiegel wie die rechte Seite einer Kippbildvase leuchten ließ, umgeben von einer kalt-weichen Mondhoflasur. Seltsame Korona. Sie schaute Thomas nicht an, und es kam auch kein Geräusch mehr aus ihrem Mund.

„Ich leg mich in die Wanne“, sagte sie und ging, nur in Unterwäsche, ins Badezimmer. Er hörte das Wasser mit zwei, drei Unterbrechungen im Rauschen, wahrscheinlich kontrollierte sie mit einem Finger die Temperatur. Ihre Kleider ragten wie geschmolzene Stahlröhren aus dem Parkettboden des Vorzimmers, als hätte sie die Sachen tief in die Holzdielen gerammt. Er ließ alles in Ruhe liegen, stieg darüber hinweg und näherte sich der Badezimmertür, die einen Spalt breit offenstand. Johanna war gerade dabei, in die Wanne zu steigen, als sie ihn bemerkte.

„Was willst du“,