»Das Wesen der Dinge
hat die Angewohnheit,
sich zu verbergen.«
Anonyme Sammlung
altterranischer Weisheiten,
Kapitel 73: Heraklit
1.
Drehscheibe
»Fürchtet euch nicht vor dem Chronogespinst, in dessen Zeitfessel ihr hängt«, sagte das Staub-Faktotum. »Wenn ihr euch fürchten wollt, so fürchtet euch vor mir!«
Anzu Gotjian saß starr auf ihrem Platz in den Zuschauerrängen des großen Theaters der Evolution, 2500 Kilometer tief im Erdinneren, in einer Station, die von den Staubfürsten vor Jahrmillionen errichtet worden war. Wie ihre Begleiter konnte auch Anzu keinen Muskel rühren und wartete auf die nächste Aktion des Staub-Faktotums, einer kindergroßen Gestalt in einer rubinroten Kutte.
Es war verrückt.
Einfach nur verrückt!
Eigentlich hatte sie sich nicht der Transmittertechnologie verschrieben, um Abenteuer zu erleben, die sie sich nicht einmal in ihren Träumen ausmalen könnte. Andererseits war sie nicht nur mit Perry Rhodan auf diese Expedition gegangen, sondern hatte sich sogar freiwillig für den direkten Vorstoß in die Station der Staubfürsten gemeldet.
Und das habe ich nun davon, dachte sie. Wer mit Perry unterwegs ist, sollte eben mit allem rechnen.
Seltsamerweise empfand sie trotz ihrer Lage keine Angst. Sie fühlte, nein, siewusste, dass das Staub-Faktotum ihnen nicht feindlich gesinnt war. Es war ein Diener der Staubfürsten und hatte angekündigt, die Besucher überprüfen zu müssen. Da Rhodan von einem Staubfürsten höchstpersönlich eine Eintrittserlaubnis in Form des Staubkonzesses erhalten hatte, würde er diese Prüfung problemlos bestehen.
Oder?
Dieses eine kleine Wörtchen –oder? – bohrte sich wie ein Giftpfeil in Anzus Gedanken. Es machte sie verrückt, dass sie nicht reden durfte, nicht auf sich aufmerksam machen, keine Fragen stellen ...
... einfach nichts!
Nur abwarten.
Sie sah alles, denn ihre Augen standen offen, wie in dem Moment, als die Zeitfesselung zugeschlagen hatte. Wie lange ging das wohl gut, ohne dass sie blinzelnmusste, weil die Augäpfel sonst austrockneten?
Allerdings fühlte sie kein Verlangen danach, die Lider zu schließen. Sie könnte es ohnehin nicht.
Das Staub-Faktotum hatte dieses Energiefeld einChronogespinst genannt, das die vier Besucher fesselte – Perry Rhodan, dessen Frau Sichu Dorksteiger, die Mutantin Iwa Mulholland und Anzu selbst. Bedeutete die Bezeichnung, dass für den Gefesselten die Zeit stillstand?
Aber warum vermochte sie dann zu denken? Und wieso hatte sie die Worte des Faktotums gehört, deren Aussprache selbstverständlich einige Sekunden – also Zeit – in Anspruch genommen hatte?
Versuch nicht, es zu verstehen, hörte sie Iwas Stimme in ihrem Kopf. Die Mutantin – die jeder so wahrnahm, als würde sie dem eigenen Geschlecht angehören, eine seltsam verwirrende Eigenschaft – war nicht nur in der Lage, Gedanken zu lesen, sondern sie auch gezielt zu senden.Das Chronogespin