: Jacques Lusseyran
: Ein neues Sehen der Welt Gegen die Verschmutzung des Ich
: Verlag Freies Geistesleben
: 9783772541155
: 1
: CHF 13.50
:
: Lebensführung, Persönliche Entwicklung
: German
: 125
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Jacques Lusseyran berichtet von seinen persönlichen Erfahrungen im Umgang mit der Blindheit; davon, wie sich ihm durch Aufmerksamkeit, Freude und liebevolle Hinwendung die Welt neu erschloss. 'Das Ich ist der Reichtum inmitten der Armut; es ist das Interesse, wenn alles um uns herum sich langweilt. Es ist die Hoffnung, auch wenn alle objektiven Chancen zu hoffen verschwunden sind. Aus ihm stammt die ganze Erfindungswelt der Menschen.' Jacques Lusseyran

Jacques Lusseyran, geboren 1924 in Paris, erblindete mit acht Jahren. Er studierte Philosophie und Literatur. Ab 1940 organisierte er eine studentische Widerstandsbewegung gegen die nationalsozialistische Besatzungsmacht in Frankreich. Von 1944 bis 1945 war er im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Nach dem Krieg arbeitete Lusseyran als Philosophieprofessor in Frankreich und den USA. Er kam 1971 durch einen Autounfall ums Leben.

Hier meine Geschichte: ich habe gesehen, gesehen mit meinen Augen, bis ich acht Jahre alt war. Seit mehr als fünfunddreißig Jahren bin ich blind, völlig blind. Ich weiß, dass diese Geschichte, diese Erfahrung mein größtes Glück ist.

Ich weiß auch, was man darauf sagen mag: Das sind nur Worte; das ist nur poetische Ausschmückung; das ist ein tröstliches Märchen; das ist Mystifikation; das ist stolze Auflehnung gegen das Schicksal. Das aber gilt nicht für mich. Ich weiß zu gut, dass ich dieses Glück nicht erkämpft habe, sondern dass es mir geschenkt wurde, und zwar auf sehr natürlichem Weg. Ich weiß auch, dass es nicht mein Privileg, mein Eigentum ist, sondern ein Geschenk, das ich jeden Tag neu annehmen muss und das alle Blinden auf ihre Weise erhalten können.

Man möge mir verzeihen, dass ich mit einem solchen Glaubensbekenntnis beginne. Aber ich weiß über die Blindheit nichts zu sagen, das wichtiger wäre als dieses Bekenntnis. Ich denke dabei an die geistige und auch praktische Hilfe, die dieses Bekenntnis all denen geben kann, die es teilen.

Und nun stehe ich einer grundlegenden Frage gegenüber: welchen Wert hat das Sehen für uns? Wozu dient uns das Sehen? Und ich bemerke, dass niemand darauf ernsthaft antwortet, weder die Sehenden noch die Blinden.

Nun, diese Stille ist ganz natürlich. Warum etwas in Frage stellen, das man besitzt: das Leben, das Sehen?

Die Sehenden machen sich keine Gedanken darüber. Für sie ist das Sehen ein einfacher Akt, ein unbestreitbares Gut. Wohl akzeptieren sie die Warnung der Philosophen, die ihnen sagen: hütet euch vor den Illusionen der S