Schweigen ist die
unerträglichste Erwiderung.
(Gilbert Keith Chesterton)
Die Stille stellt keine Fragen,
aber sie kann uns auf fast alles
eine Antwort geben.
(Ernst Ferstl)
»Ich habe keine Angst«, sagte Aipu. »Ich bin das letzte Ereignis vor dem Horizont. Ich bin die Neige.«
»Die Neige wovon?«, fragte Bouner Haad.
»Die Neige der HATH'HATHANG.«
1.
Einzelgänger
Interner Datenspeicher des TARA-Psi, 10. Juli 2046 NGZ
Ein Roboter, der Tagebuch führt. Hat es das schon einmal gegeben?
Manchmal frage ich mich, wozu ich diese Aufzeichnungen erstelle, verschlüsselt und abgelegt in den Tiefen meines Speicherkerns. Niemand wird sie jemals zu sehen bekommen. Niemand wird erfahren, dass sie existieren. Und das ist gut so.
Denn es geht niemanden etwas an, wie es in mir aussieht.
Die meisten halten mich für einen Roboter, für ein seelenloses Stück Technik, das seiner Programmierung folgt.
Einige wenige wissen, dass in mir ... ja, was? Der Geist? Die Seele? Die Erinnerung? ... eines Menschen steckt. Und sie glauben, dass ich mich mit der Situation abgefunden habe. Nennen mich manchmal sogar bei dem alten Namen: Sallu.
Wie sehr sie sich doch irren!
Ich bin kein Posbi, der nie ein anderes Lebensmodell kannte. Ich bin kein künstlich erschaffener Androide, dem auf die eine oder andere Weise etwas Biologisches eingehaucht worden ist. Ich bin ein Mensch, der sein Leben über 50 Jahre in einer Hülle aus Fleisch und Blut verbracht hat. Ein Mensch der geliebt, Fehler gemacht, verloren, aber auch viel gewonnen hat. Und doch bin ich das nicht mehr.
Es ist schwer zu sagen, wie weit meine älteste Erinnerung zurückreicht. Bis 50 Jahre vor meinem körperlichen Tod? Vielleicht.
Was kam danach?
Beinahe 290 Jahre der unbewussten Gefangenschaft in einem Brocken aus PEW-Metall.
Und inzwischen gut 40 Jahre der bewussten Gefangenschaft im Prototyp eines Kampfroboters.
Der fleischliche Leib ist vergangen.
Die Erinnerungen sind geblieben.
Wer, der nicht selbst über diese Erfahrung verfügt, könnte mich verstehen? Könnte begreifen, wie es sich anfühlt, wenn man denkt, man würde gehen, während man in Wirklichkeit schwebt? Welche Abscheu man empfindet, wenn man im Spiegel statt des Menschen, als den man sich betrachtet, einen schmalen, hohen Kegelstumpf mit gemasertem, grünlich schillerndem Ortungskopf erblickt?
Vielleicht ist das der wahre Grund für diese Aufzeichnungen. Sie gehen zwar kaum über die Daten hinaus, die in meinem Hauptspeicher abgelegt werden. Zugleich sind sie für mich aber sehr viel mehr: mein verborgenes Innerstes, meine Menschlichkeit. In ihnen kann ich mir alles von der Seele reden und zu jemandem sprechen, der mich wirklich versteht. Zu mir selbst.
Die Welt sieht in mir einen Prototypen.
Ich sehe in mir einen Einzelgänger, einen Sonderling.
Vermutlich deshalb hat dieser Cairaner-Junge etwas in mir geweckt, das ich selbst nur schwer benennen kann. Mitleid? Empathie?
Oder gar Vatergefühle?
Und das von mir? Wie gerne hätte ich mit Aura Kinder gehabt. Mit der Liebe meines vergangenen und gegenwärtigen Lebens, selbst Jahrhunderte nach unser beider Tod. So oft hatte ich von einer großen Famil