Prolog
London, 1761
Überall im Zimmer brannten Kerzen, und durch ihren duftenden Rauch war die Luft zum Schneiden. Das Kaminfeuer loderte so hoch, dass die Hitze den drei Männern, die schwitzend am Fußende des baldachinbewehrten Bettes hinter den Vorhängen standen, schier den Atem raubte. Die Kerzen warfen lange Schatten auf die reich verzierten Tapeten an den Wänden, deren dunkle geschnitzte Zierleisten den Schnitzereien am Bett und an den schweren Möbeln ähnelten. Die Samtvorhänge an den hohen Fenstern erstickten die Geräusche, die von der Straße heraufdrangen. Der schwere türkische Teppich dämpfte die Schritte, als einer der drei Männer rückwärts aus der bedrückenden Enge der Bettvorhänge hinaustrat.
»Wo steckt Jasper?« Die nörgelnde Stimme, die aus den aufgetürmten Kissen vom Kopfende des Bettes drang, zog sich wie ein dünnes Fädchen durch die Hitze und die Dämmerung. Einer der beiden Männer, die noch am Bett standen, hastete unverzüglich an seine Seite. Er trug die schlichte schwarze Kleidung eines Anwalts oder Geschäftsmannes.
»Ja, in der Tat«, murmelte der Mann, der sich vom Bett entfernt hatte. Er war groß und schlank, und das Kerzenlicht ließ sein goldblondes Haar glänzen, das er sich aus der breiten Stirn zurückgekämmt und mit einem schwarzen Samtband im Nacken gebunden hatte.
»Er wird gleich hier sein, Perry.« Der Mann, der gesprochen hatte, sah dem mit den goldblonden Haaren auffallend ähnlich. Jetzt trat er ebenfalls vom Bett zurück. »Du kennst doch Jasper. Er ist niemals in Eile.«
»Wenn er nicht bald auftaucht, wird es zu spät sein, und wir werden alle darunter zu leiden haben.« Peregrine sprach immer noch leise. »Sebastian, du weißt ebenso gut wie ich, dass der alte Herr sich ohne Jasper nicht festlegen wird.«
Sebastian zuckte die Schultern. »Dann kann ich es auch nicht ändern«, meinte er und warf seinem Zwillingsbruder einen spöttischen Blick zu. Körperlich ähnelten sie sich aufs Haar, aber im Wesen waren sie grundverschieden. Es gab nur wenige Dinge, die Sebastian aus der Ruhe bringen konnten; den Wechselfällen des Lebens begegnete er mit heiterer Sorglosigkeit. Peregrine dagegen nahm alles sehr ernst, gelegentlich sogar bis zur Besessenheit, wenn man die Meinung seines Zwillingsbruders teilte.
»Alton, ich brauche diese verdammten Blutsauger nicht. Ich brauche meinen verdammten Neffen, verflucht sei er!« Der Jähzorn ließ die Stimme aus dem Bett kräftiger klingen, und ein wedelnder Arm verscheuchte die schwarz gekleidete Gestalt, die am Kopfende seines Bettes herumlungerte. Das Gesicht in den Kissen war von dünnen weißen Locken umrahmt, glänzte gelblich vor Siechtum und Alter, die Haut war faltig und spröde, die blauen Augen blass, trübe und verschwommen. Aber all das konnte ihren scharfen und klugen Ausdruck nicht mindern. Die langen, skelettartigen Finger der blau geäderten Hand zählten ruhelos die elfenbeinernen Perlen des Rosenkranzes.
»Ich freue mich zu hören, dass Sie sich in so ausgezeichneter Verfassung befinden, Sir.« Eine neue Stimme drang von der Tür ins Zimmer, weich und samtig mit einem Anflug von Sarkasmus. Sebastian und Peregrine schwangen herum und blickten zur Tür. Jasper St. John Sullivan, der fünfte Earl of Blackwater, trat ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Er sah prächtig aus in seinem tiefblauen Samtanzug, und in den Falten seiner Halsbinde aus Mechelner Spitze glänzte ein Amethyst.
»Sebastian ... Perry ...« Die behandschuhte Hand des Mannes ruhte nachlässig auf dem Griff des Degens an seiner Hüfte, während er seine jüngeren Brüdern mit einem warmherzigen Nicken begrüßte und sich dem Bett näherte. »Ah, Sie sind auch hier, Alton.« Er nickte dem schwarz gekleideten Mann zu, der sich bei seiner Ankunft aufgerichtet hatte und ihn mit besorgtem Blick betrachtete. »Ich nehme an, die Anwesenheit des Anwalts meines Onkels bedeutet, dass wir zusammengekommen sind, um geschäftliche Angelegenheiten zu regeln.«
»Du weißt verdammt gut, warum ich dich hergerufen habe, Jasper.« Die Stimme des gebrechlichen Mannes klang von Minute zu Minute kräftiger, und er richtete sich angestrengt in den Kissen auf. »Hilf mir.«
Jasper beugte sich vor und richtete seinem Onkel die Kissen im Rücken. »Besser, Sir?«
»Es reicht ... es reicht«, brummte der alte Herr. Sekunden später wurde er von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt und presste sich ein dickes weißes Tuch auf den Mund, während seine Schultern sich hoben und senkten. Schließlich ließen die Krämpfe nach; er sank in die Kissen zurück und schnappte nach Luft, bevor er den Blick über die Gesichter der Männer schweifen ließ, die sich um sein Bett versammelt hatten. »Nun, die Krähen sind ausgeschwärmt, um sich ein Festmahl zu gönnen«, verkündete er.
»Wohl kaum, Sir, denn Sie sind es gewesen, der auf unserer Anwesenheit bestanden hat«, bemerkte Jasper liebenswürdig und warf seinen Zweispitz auf den Tisch. Er war so dunkelhaarig, wie seine Brüder blond waren. »Ich zweifle daran, dass auch nur einer unter uns es gewagt hätte, sich Ihnen aufzudrängen, wenn wir nicht eine offenkundig dringliche Vorladung erhalten hätten.«
»Du warst schon immer ein unverschämter junger Hund«, verkündete der bettlägerige Mann und wischte sich den Mund mit dem Tuch ab. »Nun, jetzt wo ihr alle versammelt seid, lasst uns also beginnen.« Er drückte sich den Rosenkranz an die Brust. »Sagen Sie es ihnen, Alton.«
Der Anwalt hustete diskret in seine Faust und erweckte den Eindruck, als würde er sich in diesem Moment überall auf der Welt lieber aufhalten als ausgerechnet hier an diesem Ort. Er ließ den Blick von Bruder zu Bruder schweifen und dann auf Jasper ruhen. »Wie Sie wissen, Mylord, i