: Michael Hecht
: Drei Wege sich selbst zu verlieren
: TWENTYSIX
: 9783740761943
: 1
: CHF 6.10
:
: Spannung
: German
: 295
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Buch handelt vom Leben dreier Menschen: Eine junge Amerikanerin, ein kleiner indischer Junge und eine japanische Jugendliche. Was würde passieren, wenn plötzlich die Charakterzüge sich ins Gegenteil verkehren? Welche Auswirkungen hat das auf die Gesellschaft? Diese spannende Mischung aus Thriller, Sozialanalyse und einem Spritzer Philosophie wird Sie nicht mehr loslassen.

Michael Hecht, 1985 in Erfurt geboren, verließ mit 18 Jahren seine Heimat um Deutschland und die Welt zu entdecken. Der Autor hat die Schauplätze des Buches (Kalifornien, Indien, Japan) alle besucht oder selbst dort gelebt. Nach dem Studium der BWL und Japanologie arbeitet Michael Hecht heute als Controller und Berater im Großraum Köln.

Kapitel 2 : Sie oder ich


Ahmedabad / Indien, Juni 2014


1 Es war heiß. Drückend heiß. Und trocken. So trocken, wie seit langem nicht mehr. Seit Monaten ließ der blaue Himmel nur spärlich ein paar Regentropfen auf den staubigen Boden in Ahmedabad fallen. Die Regensaison sollte schon bald beginnen und nichts sehnten die Bewohner zurzeit mehr herbei. Die Temperatur lag bei 35 Grad Celsius im Schatten. Hier war die niedrige Luftfeuchte tatsächlich ein Segen. Alle Bäume und Sträucher im Bundesstaat Gujarat waren ausgetrocknet und die Gefahr eines Buschfeuers stieg mit jeder Minute in der die Sonne erbarmungslos auf Land und Leute niederbrannte.

Auf dem großen Markt im Zentrum der Stadt war von dieser drückenden Stimmung nichts zu spüren. Er war voller Menschen und Händler mit Angeboten, die Schönheit, Reichtum und ein besseres Leben – davon hätten viele Einwohner gern ein Stück gehabt – verhießen. Die bunten Stände waren reich geschmückt und zusätzlich lockten die Standbesitzer mit lauter Stimme interessierte Käufer heran: „Bei mir gibt’s die besten Gewürze in ganz Gujarat!“ - „Keiner bietet bessere Qualität!“ - „Ich habe die niedrigsten Preise!“ - „Der Gesunde hat viele Wünsche, der Kranke nur einen. Kaufen Sie dieses Tonikum, dass allen Ihren Krankheiten Linderung verspricht!“ – „Kosten Sie, probieren Sie!“ – „Machen Sie mit dieser Tinktur ihren Sari neu, erhältlich in allen Farben des Regenbogens!“ Wenn man sich jedoch nicht auf einen bestimmten Stand konzentrierte, konnte man in dem lauten Geräuschwirrwarr gar nichts verstehen. Hinzu kam das Schreien der Esel, das Meckern der Ziegen, das Gackern der Hühner und sogar das Zischen von Schlangen war man bei genauem Hinhören zu erkennen. Der Markt war überregional bekannt und zog regelmäßig tausende Käufer aus den Dörfern der Umgebung in das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum von Gujarat. Ein steter Strom von Hausfrauen mit riesigen Körben, die sie unglaublich geschickt auf ihren Köpfen balancierten, strömte vom Marktplatz auf die Bahnhöfe und in die völlig überfüllten Züge nach Hause in ihre Dörfer zu ihren Liebsten, um die Einkäufe zu Schmackhaftem oder Nützlichem weiter zu verarbeiten.

Aber nicht nur Hören und Sehen, auch der Geruchs- und Geschmackssinn wurde auf diesem Markt voll ausgereizt und manchmal auch an seine Grenzen gebracht. Die besten und teuersten Gewürze wurden in großen Säcken feil geboten: Chili, roter Curry, gelber Curry, grüner Curry, Curry gemahlen, Currypaste – ja Curry in allen denkbaren Farben und Konsistenzen, Cardamom, Nelken, Minze, Ingwer, Kurkuma und die ganze restliche Palette, die der indischen Küche seine unverwechselbare Identität gibt. Abseits der Stände roch es jedoch weniger angenehm nach Kuhdung, faulen Früchten und verwesenden Tierkadavern. Letztere waren einmal geschlachtete Hühner, deren Knochen und Knorpel zu dutzenden in den Hintergassen aufgestapelt wurden und regelmäßig von Hunden und R