: Dirk Westerkamp
: Das schweigende Tier Sprachphilosophie und Ethologie Sprachphilosophie und Ethologie
: Felix Meiner Verlag
: 9783787337699
: Blaue Reihe
: 1
: CHF 11.40
:
: Philosophie
: German
: 143
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Tierverhaltensforschung hat in den vergangenen Jahren bedeutende Erkenntnisse gewonnen, nicht zuletzt im Bereich der Tierkommunikation. Allerdings trägt sie einen aus sprachphilosophischer Perspektive dürftigen Sprachbegriff an ihre Untersuchungsgegenstände heran, um im selben Atemzug überzogene und anthropomorphistische Behauptungen über Sprache und Kultur, über Moral und Denken der Tiere aufzustellen. Dirk Westerkamp kritisiert in seiner Untersuchung diesen Sprachgebrauch und stellt ihm eine - kleine - Philosophie der natürlichen Sprache gegenüber, die zur Orientierung und als Richtschnur auch der Tierkommunikationsforschung dienen kann. Umgekehrt greift diese Philosophie der normalen Sprache Erkenntnisse der jüngeren Ethologie auf, um ihren eigenen Sprachbegriff zu überprüfen und zu präzisieren. Das Buch gliedert sich in vier Teile. Es umreißt zunächst einen gehaltvollen Begriff der natürlichen Sprache (I. Das Tier, das Sprache hat - animal symbolicum), geht dann verschiedene Formen animalischer Kommunikation durch (II. Tiere, die kommunizieren - animalia communicantia), entwirft im Anschluss eine Theorie jener Wechselwirkung von Sprache und Einbildungskraft, die offenbar nur in normalen Sprachen aufkommen kann (III. Das Tier, das einbildet - homo pictor et imaginans), um am Ende - durchaus provokativ - als eigentliches Proprium des menschlichen Symbol-, Imaginations- und Sprachvermögens das Schweigen zu pointieren (IV. Das Tier, das nicht spricht - homo silens).

Dirk Westerkamp ist Professor für theoretische Philosophie an der Christian-Albrechts-Universit t Kiel und Mitherausgeber der »Zeitschrift für Kulturphilosophie«. Zuletzt erschien in der »Blauen Reihe«: Sachen und Sätze. Untersuchungen zur symbolischen Reflexion der Sprache (2014).

IITIERE, DIE KOMMUNIZIEREN


(animalia communicantia)


10 · Intentionalität


WEDER IST Intentionalität ein artspezifisches Charakteristikum, noch bedürfen ihre Formen des »Über-etwas-Seins« (aboutness) oder des »Bewusstseins von Etwas« notwendig symbolisch-reflexiver Sprachen. In dem trivialen Sinn, dass Systeme dann intentional heißen, wenn sie ein intentionales Objekt »haben«, also irgendeine Repräsentation von Etwas gewinnen, wäre auch der von von Uexküll in seinen Reaktionen auf die Umwelt beschriebene Holzbock (Ixodes ricinus) ein »intentionales System«1 zu nennen. Das intentionale Wahrnehmungsobjekt der Zecke wäre dann jene Buttersäure, die dem Schweiß des Säugetiers entstammt, auf das sie sich aus genau diesem Grund fallen lässt.2 In einem philosophisch anspruchsvolleren Sinn lassen intentionale Systeme (pseudo- oder proto-)propositionale Einstellungen erkennen:

x nimmt an, dass p.

y wünscht, dass q.

z grübelt, ob r.

Intentionalität meint das Verhältnis dreier Relata: die Beziehung zwischen einem System (x, y, z), seiner Einstellung (annehmen, wünschen, grübeln) und dem Inhalt dieser Einstellung (p, q, r).3 Statt von Lebewesen von »intentionalen Systemen« zu sprechen, enthebt zunächst der Misslichkeit, den problematischen Kollektivsingular »Tier« zu verwenden, dessen Absurdität namentlich Derrida sistiert und mit dem Kunstwortl´animot gekontert hat.4

Daniel Dennett unterscheidet zwischen intentionalen Systemen, die aus Gründen handeln, die ihnen selbst nicht durchsichtig sind, und solchen, deren Gründe transparente Motive, Ursachen und Absichten auch für diese »Systeme« selbst sind: »reasons for us«5 – eine Formulierung, die an Kants Bestimmung der Erscheinungen erinnert, die nur kraft ihrer kategorialen Formierung durch den Verstand auch Gegenstände »für uns«6 sein können. Gründe, die »für uns« sind, haben eine reflexiv-intentionale Struktur. Sie »sind«über etwas Zweifaches – nämlich nicht nur über ihren unmittelbaren Gegenstand, sondern mittelbar auch über uns selbst. Sie beziehen sich auf uns, insofern wir uns mit ihnen auf uns selbst beziehen können. Solche Gründe sagen deshalb nicht nur etwas über dieses oder jenes Motiv, sondern mit ihnen auch etwas über uns im Ganzen: dass wir reflexive, intentionale, Gründe gebende Wesen sind.

Vonreflexiver Intentionalität abhängig, aber noch einmal eigens von ihr zu unterscheiden ist jenetertiäre Intentionalität, die nach Auffassung von Sprachphilosophen (wie Grice und Searle) und Anthropologen (wie Deacon und Tomasello) das Spezifikum menschlichen Bewusstseins ausmacht. Mit ihr erst wird das Feld nicht nur subjektiv, sondern auch intersubjektiv selbsttransparenter Bewusstseinsakte erreicht. Grice zufolge passen wir unsere propositionalen Einstellungen nicht nur stets einem Gegenüber an, sondern wir unterstellen auch, dass dieserweiß, dass ich meine Einstellungenim Wissen um die seinen diesen immer schon angepasst habe, um von ihr/ihm verstanden zu werden.7 So entsteht eine – uns in der Regel gar nicht bewusste – rekursive Intentionalitätsstruktur, die durch ihren impliziten »Ich-weiß-dass-Duweißt-dass-ich-weiß…«-Erwartungsabgleich zur Voraussetzung geteilter Intentionalität, gemeinsamen Planens oder koordinierten Handelns wird. Manche Analysen schreiben deshalb bereits so alltäglichen Auss