IITIERE, DIE KOMMUNIZIEREN
(animalia communicantia)
10 · Intentionalität
WEDER IST Intentionalität ein artspezifisches Charakteristikum, noch bedürfen ihre Formen des »Über-etwas-Seins« (aboutness) oder des »Bewusstseins von Etwas« notwendig symbolisch-reflexiver Sprachen. In dem trivialen Sinn, dass Systeme dann intentional heißen, wenn sie ein intentionales Objekt »haben«, also irgendeine Repräsentation von Etwas gewinnen, wäre auch der von von Uexküll in seinen Reaktionen auf die Umwelt beschriebene Holzbock (Ixodes ricinus) ein »intentionales System«1 zu nennen. Das intentionale Wahrnehmungsobjekt der Zecke wäre dann jene Buttersäure, die dem Schweiß des Säugetiers entstammt, auf das sie sich aus genau diesem Grund fallen lässt.2 In einem philosophisch anspruchsvolleren Sinn lassen intentionale Systeme (pseudo- oder proto-)propositionale Einstellungen erkennen:
x nimmt an, dass p.
y wünscht, dass q.
z grübelt, ob r.
Intentionalität meint das Verhältnis dreier Relata: die Beziehung zwischen einem System (x, y, z), seiner Einstellung (annehmen, wünschen, grübeln) und dem Inhalt dieser Einstellung (p, q, r).3 Statt von Lebewesen von »intentionalen Systemen« zu sprechen, enthebt zunächst der Misslichkeit, den problematischen Kollektivsingular »Tier« zu verwenden, dessen Absurdität namentlich Derrida sistiert und mit dem Kunstwortl´animot gekontert hat.4
Daniel Dennett unterscheidet zwischen intentionalen Systemen, die aus Gründen handeln, die ihnen selbst nicht durchsichtig sind, und solchen, deren Gründe transparente Motive, Ursachen und Absichten auch für diese »Systeme« selbst sind: »reasons for us«5 – eine Formulierung, die an Kants Bestimmung der Erscheinungen erinnert, die nur kraft ihrer kategorialen Formierung durch den Verstand auch Gegenstände »für uns«6 sein können. Gründe, die »für uns« sind, haben eine reflexiv-intentionale Struktur. Sie »sind«über etwas Zweifaches – nämlich nicht nur über ihren unmittelbaren Gegenstand, sondern mittelbar auch über uns selbst. Sie beziehen sich auf uns, insofern wir uns mit ihnen auf uns selbst beziehen können. Solche Gründe sagen deshalb nicht nur etwas über dieses oder jenes Motiv, sondern mit ihnen auch etwas über uns im Ganzen: dass wir reflexive, intentionale, Gründe gebende Wesen sind.
Vonreflexiver Intentionalität abhängig, aber noch einmal eigens von ihr zu unterscheiden ist jenetertiäre Intentionalität, die nach Auffassung von Sprachphilosophen (wie Grice und Searle) und Anthropologen (wie Deacon und Tomasello) das Spezifikum menschlichen Bewusstseins ausmacht. Mit ihr erst wird das Feld nicht nur subjektiv, sondern auch intersubjektiv selbsttransparenter Bewusstseinsakte erreicht. Grice zufolge passen wir unsere propositionalen Einstellungen nicht nur stets einem Gegenüber an, sondern wir unterstellen auch, dass dieserweiß, dass ich meine Einstellungenim Wissen um die seinen diesen immer schon angepasst habe, um von ihr/ihm verstanden zu werden.7 So entsteht eine – uns in der Regel gar nicht bewusste – rekursive Intentionalitätsstruktur, die durch ihren impliziten »Ich-weiß-dass-Duweißt-dass-ich-weiß…«-Erwartungsabgleich zur Voraussetzung geteilter Intentionalität, gemeinsamen Planens oder koordinierten Handelns wird. Manche Analysen schreiben deshalb bereits so alltäglichen Auss