: Norman Mailer
: Die Nackten und die Toten
: LangenMüller
: 9783784434513
: 1
: CHF 21.90
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: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 880
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit seinem Debütroman 'Die Nackten und die Toten' wurde der 25-jährige Norman Mailer über Nacht weltberühmt. 1944 meldete er sich freiwillig als Soldat und kämpfte auf amerikanischer Seite im Pazifik. Als Augenzeuge beschreibt er im Stile einer Reportage den Alltag an der Front mit all seinen Schrecken. Vielmehr aber beschäftigt sich Mailer mit den Beschreibungen seiner Kameraden, mit ihren Gefühlen, ihrer Angst und ihrem Leidensdruck. Dadurch werden sie aus ihrer Anonymität sichtbar und lebendig gemacht. Neben der persönlichen Geschichte steht immer die Frage im Vordergrund: Was geht in einem Menschen vor, der auf Befehl sogar in den Tod geht?

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Bei den ersten Einsatzbesprechungen seines Stabes hatte Major General Edward Cummings, Kommandeur der Truppen auf der Insel, die Form von Anopopei mit einer Okarina verglichen. Ein einigermaßen zutreffendes Bild. Der Hauptteil der Insel, etwa hundertfünfzig Meilen lang und ein Drittel so breit, war stromlinienförmig, mit einem hohen Bergrücken entlang der Längsachse. Fast senkrecht zum Hauptteil von Anopopei sprang eine etwa zwanzig Meilen lange Halbinsel vor und bildete so das Mundstück.

General Cummings’ Einsatzgruppe war auf der Spitze dieser Halbinsel gelandet und während der ersten paar Tage des Feldzugs fast fünf Meilen vorgestoßen. Die ersten Sturmtruppen waren aus ihren Booten gesprungen, den Strand hinaufgestürmt und hatten sich am Rand des Dschungels eingegraben. Nachfolgende Wellen waren an ihrer Stellung vorbei auf zuvor von den Japanern angelegten Trampelpfaden durchs Gebüsch weiter vorgedrungen. Die ersten ein, zwei Tage hatte es kaum Widerstand gegeben, denn das Gros der Japaner war vom Strand abgezogen worden, als der Artilleriebeschuss durch die Navy einsetzte. Die ersten Vorstöße wurden nur kurz durch einen kleineren Hinterhalt aufgehalten oder durch eine provisorische Verteidigungsstellung entlang einer Schlucht oder einem Trampelpfad. Die Soldaten arbeiteten sich in Abschnitten von einigen wenigen Hundert Metern vorsichtig vor, schickten zahlreiche Patrouillen vorweg, die das vorausliegende Gelände sicherten, bevor eine Kompanie nachrückte. Über mehrere Tage gab es keine klare Frontlinie. Kleinere Gruppen von Männern durchstreiften den Dschungel, gerieten in kleinere Gefechte mit noch kleineren Gruppen und zogen dann wieder weiter. Insgesamt herrschte eine eindeutige Vorwärtsbewegung, auch wenn sich keine einzelne Einheit zu jedem beliebigen Zeitpunkt in eine bestimmte Richtung bewegte. Sie waren wie ein Schwarm Ameisen, die sich auf einer Rasenfläche balgten und an einer Handvoll Brotkrumen zerrten.

Am dritten Tag eroberten die Männer ein japanisches Flugfeld. Es war ein kleinerer Platz, ein vierhundert Meter langer, durch den Dschungel geschlagener Streifen mit einem kleinen, im Busch verborgenen Hangar und ein paar Gebäuden, die bereits von den Japanern zerstört worden waren, doch er fand Eingang in die amtlichen Verlautbarungen aus dem Pazifik, und Rundfunksprecher erwähnten den Sieg kurz vor Ende ihrer Nachrichtensendungen. Das Flugfeld war von zwei Zügen eingenommen worden, die es im Dschungel einkreisten, die einzige Maschinengewehrbesatzung ausschalteten, von der die Lichtung noch verteidigt wurde, und es dann per Funk ans Bataillonshauptquartier durchgaben. Die nächtlichen Verteidigungsstellungen der Truppen des Generals waren zum ersten Mal einigermaßen zusammenhängend. Der General richtete einige Hundert Meter jenseits des Flugfelds eine Frontlinie ein und hörte an diesem Abend zu, wie d