ZWEI
Wenn ich tot war, befand ich mich ganz sicher in der Hölle. Anders waren diese Schmerzen nicht zu erklären. Als hätte ich Rasierklingen geschluckt, konnte ich förmlich spüren, wie ich von innen heraus aufgeschlitzt wurde und elendig verblutete. Ich wollte schreien und meiner Qual Ausdruck verleihen, doch es kam kein Ton heraus. Was logisch war, schließlich mussten die Rasierklingen auf ihrem Weg in meinen Körper meine Stimmbänder zerstückelt haben. Als Alternative versuchte ich meine bleischweren Gliedmaßen zu bewegen, aber auch diese gehorchten mir nicht. Dafür spürte ich ein unangenehmes Kribbeln in meinen Finger- und Zehenspitzen. Es fühlte sich an, als wären sie eingeschlafen.Kündigt sich Blutverlust nicht auf diese Art an? Vielleicht hatten aber auch sadistische Dämonen meine Sehnen und Nerven durchtrennt. Hatte Nox nicht einmal so etwas erwähnt? Oder hatte ich davon im Geschichtsunterricht gehört?
Ich war mir nicht mehr sicher. Egal, wessen Idee das auch gewesen war, derjenige hatte gute Arbeit geleistet. Das Gefühl war subtil und im Vergleich zu den anderen Schmerzen kaum erwähnenswert. Dennoch war es viel qualvoller, da es langsam, dafür aber tiefgehend an den Nerven zerrte.
Zum Glück erlöste mich eine weitere Ohnmacht von dieser Qual.
***
Ich wusste nicht, wie lange ich diesmal in der Dunkelheit verbracht hatte, doch es war bei Weitem nicht lange genug. Als ich wieder zu Bewusstsein kam, war der Schmerz gerade mal etwas erträglicher geworden. Das Kribbeln hatte sich bis in meine Finger- und Zehenspitzen ausgebreitet. Dafür hatte das lodernde Brennen in meinem Inneren aufgehört. Leider konnte ich mir keine Gedanken darüber machen, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, denn kaum hatte ich diesen Zustand registriert, fiel ich wieder in die gnädige Dunkelheit der Bewusstlosigkeit.
***
Als ich das nächste Mal zu Bewusstsein kam, bemerkte ich, dass sich etwas verändert hatte. Das Rauschen in meinen Ohren hatte nachgelassen und ich hörte Geräusche.
Regen?
In der Hölle?
Unmöglich!
Oder?
Um ehrlich zu sein, wusste ich es nicht. Woher auch? Nox hatte mir deutlich zu verstehen gegeben, dass meine Vorstellungen von Hollywood geprägt waren und nichts mit der Realität zu tun hatten. Aber das Prasseln von Wasser war unverkennbar. Es war so deutlich, als würden zahlreiche kleine Tropfen direkt neben meinem Ohr zerplatzen. Gleichzeitig bemerkte ich, dass das Kribbeln nachgelassen hatte. Ebenso wie der restliche Schmerz in meinem Körper. Es war mir zwar immer noch unmöglich, meine Gliedmaßen wie auch meine Lider zu bewegen, aber ich genoss den kurzen Moment der Erholung. Ich war mir sicher, dass das zu dem grausamen Plan meiner Folterknechte gehörte und sicherlich jeden Moment enden würde.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf tauchte ich erneut in die emotions- und gefühllose Kälte der Bewusstlosigkeit ab.
***
»Verdammt!«
Der leise Fluch erweckte mich aus meinem Schlaf.
Schlaf?
Hatte ich wirklich geschlafen? Vermutlich. Zumindest hatte ich einen verrückten Traum gehabt. Ich war mit Nox unterwegs gewesen. In einem Wald. Der aber gar kein richtiger Wald gewesen war. Ich hatte bunte Vögel gesehen und …
Ein Stöhnen drang über meine Lippen und unterbrach meine Gedanken. Ich fühlte mich kein bisschen erholt oder ausgeschlafen. Eher erschöpft und verspannt, als hätte ich nach einer alkohollastigen Party auf dem Boden gepennt. Pochende Kopfschmerzen und ein trockener Mund bestätigten diese Annahme und damit hatte ich auch eine Erklärung für meinen abstrusen Traum.
Um meine Rückenmuskulatur etwas zu entspannen, drehte ich mich auf die Seite. Im selben Augenblick schoss ein schmerzhafter Stich durch meine Taille und ich keuchte schmerzgepeinigt auf.
O nein!
Diesen Schmerz kannte ich bereits!
Ich riss die Augen auf und versuchte mich aufzusetzen. Doch ich schaffte es gerade einmal, meinen Oberkörper in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel anzuheben, als meine Stirn unangenehme Bekanntschaft mit einem Felsbrocken machte.
»Scheiße! Verdammt, Kleines! Pass doch auf!«
Eine mir wohlbekannte Stimme drang in meinen Verstand, aber