Was ist ein »Herz-Mensch«?
Um es an dieser Stelle gleich vorwegzunehmen: Herz, Bauch, Gefühle, Intuition – das ist für mich nicht dasselbe, aber doch das Gleiche. Es ist alles das, was nicht aus dem Kopf kommt. Ob es aus den Gefühlen, dem Bauch, dem Herzen oder dem kleinen Finger kommt (ja, auch dort können wir manchmal spüren, ob der Weg, den wir einschlagen wollen, der richtige ist), macht für mich keinen Unterschied.
Was ist ein »Kopf-Mensch« und was ein »Herz-« bzw. »Bauch-Mensch«? Und was sind Sie? Ich selbst war lange ein sogenannter »Kopf-Mensch«, habe Entscheidungen danach getroffen, ob sie gut für den Lebenslauf sind, ob ich damit andere beeindrucken oder ihre Erwartungen erfüllen kann, ob ich damit Geld verdienen kann. Die Frage, ob mich die Entscheidung glücklich macht, stellte ich mir lange nicht. Das kann man so machen, keine Frage, aber wirklich zufrieden wurde ich in meinem Leben erst, als ich gelernt hatte, auf meinen Bauch zu hören. Mein Coach-Ausbilder Dr. Klaus Biedermann sagte einmal während der Ausbildung: »Der Kopf ist ein guter Ratgeber, wenn es darum geht, Rechnungen zu bezahlen. Ansonsten hört ihr besser auf euren Bauch.« Denn unserem Bauch geht es nicht ums Geldverdienen oder um Prestige, ihm geht es darum, dass sich eine Entscheidung gut anfühlt. Denn wenn sie das tut, dann wird uns das Ergebnis auch zufrieden machen.
Gerade haben mein Kopf und mein Bauch wieder ein kleines Geplänkel geführt. Ich habe seit einigen Jahren einen Lehrauftrag an der Hochschule in Koblenz. Das bringt nicht viel Geld, aber Renommee und Freude. Ich darf den Studierenden zeigen, wie man Texte schreibt, die zum Vortragen gedacht sind, und wie man diese dann präsentiert. Das hat mir lange wahnsinnig viel Spaß gemacht. Nun merke ich in diesem Semester, dass mir die Fahrt von Mainz nach Koblenz lästig wird und insgesamt meine Freude auf der Strecke bleibt. Das passiert mir manchmal, wenn etwas keine Herausforderung mehr ist, sondern zur Routine wird. Also sagte mein Bauch: »Dann lass es bleiben und such dir eine andere Herausforderung.« Mein Kopf hielt sofort dagegen mit den Argumenten, dass ein Lehrauftrag schon etwas Besonderes sei, dass es genügend Menschen in meinem Umfeld gäbe, die gern einen hätten, und schließlich bringe ein Lehrauftrag auch ausreichend Anerkennung mit sich. Früher hätte ich mich den Kopfargumenten ganz bestimmt gebeugt und mit wenig Freude weitergemacht. Heute verstehe ich es besser, mich selbst glücklich zu machen. Nach zwei Tagen, an denen ich mit lieben Menschen und vor allem mit mir selbst darüber diskutiert hatte, kündigte ich den Job. Und es fühlte sich so erleichternd an. Klar, die Argumente meines Kopfes stimmen alle, aber das Bauchargument, dass ich ohne diesen Lehrauftrag zufriedener bin, wiegt viel schwerer.
Ich bin also ein überzeugter »Aus dem Bauch«-Entscheider – in beruflichen Dingen, in Liebesangelegenheiten und zum Teil sogar bei finanziellen Fragen. Ich wünschte, ich hätte in finanziellen Dingen auch schon früher auf meinen Bauch gehört, dann hätte ich mir den Kauf der T-Aktie nämlich erspart. In dem Moment, in dem ich den Kaufvertrag bei meiner Bank unterschrieb, zogen in meinem Bauch dicke Gewitterwolken auf und es gab ein Donnerwetter, das man nicht überhören konnte. Ich hörte und fühlte es auch, aber ich war damals noch ein Kopf-Mensch – und unterschrieb. Das hat mich eine Stange Geld gekostet. Prof. Kühnapfel wird an dieser Stelle vermutlich verzweifelt den Kopf schütteln, denn er als Kopf-Mensch und Wirtschaftswissenschaftler wird vermutlich nie, wirklich niemals finanzielle Angelegenheiten aus dem Bauch heraus entscheiden. Damit ist er in guter Gesellschaft. Bei einer repräsentativen Umfrage der GfK Marktforschung Nürnberg im Auftrag der »Apotheken Umschau« (zitiert im Focus 47/2018, S. 86) gaben 81 % der Befragten an, sich bei wirklich wichtigen Entscheidungen bewusst auf den Verstand zu verlassen und nicht aus dem Bauch heraus zu entscheiden. »Nur« in Liebesdingen oder bei der Partnerwahl treffen 87 % derselben Befragten ihre Entscheidungen aus dem Bauch heraus.
Die Intuition – jeder hat sie,
nur wenige erkennen sie
Ein Großteil der Menschen glaubt also, weitgehend rationale Entscheidungen zu treffen. Ich schreibe bewusst »glauben«, denn in Wirklichkeit ist es nicht ganz so. Dazu gleich mehr. Aber vor diesem Hintergrund haben es überzeugte »Bauch-Entscheider« schwer in dieser von Vernunft bestimmten Welt. Man wi