: Alexandre Dumas (der Ältere)
: Der Graf von Monte Christo Band 31
: Books on Demand
: 9783750484153
: Taschenbuch-Literatur-Klassiker
: 1
: CHF 3.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 260
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Graf von Monte Christo ist ein Abenteuerroman, den Alexandre Dumas veröffentlichte. Zwischen 1844 und 1846 veröffentlichte Dumas den Graf von Monte Christo unter dem Originaltitel Le Comte de Monte-Cristo als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift Le Journal des débats und erzielte damit ungeahnten Erfolg.

Alexandre Dumas der Ältere wurde als Alexandre Dumas Davy de la Pailleterie oder Alexandre Dumas père am 24. Juli 1802 in Villers-Cotterêts, Département Aisne geboren und verstarb am 5. Dezember 1870 in Puys bei Dieppe, Département Seine-Maritime. Er war ein französischer Schriftsteller, der heute vor allem durch seine zu Klassikern gewordenen Historienromane, Die drei Musketiere und Der Graf von Monte Christo bekannt ist.

»Erzählt Ihr mir da ein Märchen?«

»Freilich sieht's so aus, doch hören Sie. Einige Tage vor Dantes' Rückkehr war Fernando der Konskription verfallen. Die Bourbonen ließen ihn ruhig bei seinen Katalanern; Napoleon aber kehrte zurück, außerordentliche Aushebungen fanden statt, und Fernando mußte fort.

Er wurde in die aktiven Truppen eingereiht, kam mit seinem Regiment an die Grenze und wohnte der Schlacht bei Ligny bei. In der Nacht, die auf die Schlacht folgte, stand er als Schildwache vor der Tür eines Generals, der geheime Beziehungen zu dem Feinde hatte. In derselben Nacht sollte der General zu den Engländern stoßen; er tat Fernando den Vorschlag, ihn zu begleiten, dieser nahm es an, verließ seinen Posten und folgte dem General. Was Fernando, wenn Napoleon auf dem Thron geblieben wäre, vor ein Kriegsgericht gestellt hätte, war in den Augen der Bourbonen ein Verdienst; er kehrte als Unterleutnant nach Frankreich zurück, und da ihn die Protektion des Generals, der in hohen Gunsten steht, nicht verließ, so ward er im Jahre 1823 zur Zeit des spanischen Krieges Kapitän, gerade als Danglars seine ersten Spekulationen machte; Fernando war Spanier, er wurde nach Madrid gesandt, um die Gesinnung seiner Landsleute auszukundschaften. Er fand Danglars, kam mit ihm überein, versprach seinem General Hilfe unter den Royalisten der Hauptstadt und der Provinzen, erhielt Zusagen, ging seinerseits Verbindungen ein, führte sein Regiment auf ihm allein bekannten Wegen in von Royalisten bewachten Schluchten und leistete endlich während dieses kurzen Feldzuges solche Dienste, daß er zum Obersten ernannt wurde und das Offizierkreuz der Ehrenlegion mit dem Barontitel erhielt.«

»O Schicksal! Schicksal!« flüsterte der Abbé.

»Ja, aber hören Sie nur, das ist noch nicht alles. Der spanische Krieg war zu Ende; Fernandos Laufbahn sah sich durch den langen Frieden, der in Europa zu herrschen begann, gehemmt; Griechenland allein war gegen die Türkei aufgestanden und begann soeben seinen Freiheitskampf. Fernando erhielt die Erlaubnis, in griechische Dienste zu treten, indem er nichtsdestoweniger auf den Kontrollisten der Armee stehenblieb. Kurze Zeit darauf hörte man, daß der Baron Morcerf, diesen Namen trug er, mit dem Range eines Instruktionsgenerals in die Dienste Ali Paschas getreten sei. Ali Pascha starb, wie Sie wissen; bevor er aber starb, belohnte er Fernandos Dienste, indem er ihm eine bedeutende Summe hinterließ, mit der Fernando nach Frankreich zurückkehrte, wo er in seinem Range als Generalleutnant bestätigt wurde.«

»Also, daß er heutzutage...« fragte der Abbé.

»Daß er heutzutage«, fuhr Caderousse fort, »Graf, Deputierter ist und ein herrliches Hotel in der Rue de Helder Nummer 27 bewohnt.«

Der Abbé tat den Mund auf und verharrte einige Zeit lang wie ein Mensch, der zaudert; aber sich überwindend, fragte er: »Und Mercedes? Man hat mir versichert, sie sei verschwunden?«

»Verschwunden wie die Sonne am Abend, um am andern Morgen um so heller aufzugehen«, sprach Caderousse. »Mercedes ist eine der größten Damen von Paris. Anfangs hat sie namenlos gelitten. Da traf sie in ihrer Verzweiflung ein neuer Schmerz, es war Fernandos Abreise, dessen Verbrechen ihr unbekannt und dem sie wie einem Bruder zugetan war. Fernando war fort, Mercedes blieb allein. Drei Monate verrannen in Tränen für sie; keine Kunde von Edmond, keine Kunde von Fernando, nichts vor den Augen als den Greis, der in Verzweiflung schmachtend dahinstarb. Eines Abends, nachdem sie sich tagüber müde geweint, tat sich die Tür auf, und der Unterleutnant Fernando erschien. Mercedes ergriff freudestrahlend seine Hände. Er nahm diese Freude für Liebe. Als er das ers temal ging, sprach er ihr nicht von Liebe. Jetzt dünkte es ihn an der Zeit. Mercedes bat ihn um sechs Monate Frist, und nach Ablauf der Zeit fand ihre Trauung in der Accoulerkirche statt.«

»Es war dieselbe Kirche, in der sie mit Edmond getraut werden sollte; nur den Bräutigam hatte man gewechselt«, sagte der Abbé voll Bitterkeit.

»Mercedes heiratete also, doch ihr Herz blieb leer. Fernando war glücklich in ihrem Besitz, doch ruhelos. Stets befürchtete er Dantes' Rückkehr. Um Mercedes allen Erinnerungen zu entreißen, zog er fort von hier.«

»Habt Ihr Mercedes wiedergesehen?« fragte der Priester.

»Ja. Zur Zeit des spanischen Krieges in Perpignan, wo sie Fernando zurückgelassen; sie widmete sich damals ganz der Erziehung ihres einzigen Sohnes.«

»Sie – die Fischerstochter ...?«

»Oh, sie war ein kluges Mädel und hat nie aufgehört, ihr Wissen zu vermehren. Dennoch weiß ich, daß sie nicht glücklich ist.«

Der Abbé seufzte schwer.

»Und Herr von Villefort?« fragte er dann.

»Von dem weiß ich nur, daß er bald nach Edmonds Verhaftung geheiratet hat und fortgezogen ist. Sicher geht's ihm gut, wie den andern Schurken. Nur auf mir ruht Gottes Zorn.«

»Ihr irrt. Gottes Mühlen mahlen langsam. Seht hier den Diamant! Er gehört Euch.«

Caderousse fuhr zurück: »Herr – treibt nicht Spott mit mir armen Mann.«

»Das liegt mir fern,« sagte der Abbé ernst, »wenn mir auch graut vor den Menschen, die einander soviel Böses tun. Nehmt den Stein als letzten Gruß des armen Dantes; Ihr meintet es wohl am wenigsten böse mit ihm. Doch eine kleine Gegenleistung erbitte ich dafür: gebt mir die alte rotseidene Börse des Herrn Morrel.«

Caderousse ging, beinahe verstört vor Überraschung, Freude, Schamgefühl, um das Gewünschte zu holen. Als er wiederkam, saß der Abbé schon zu Pferde und ritt eiligst davon, um den überschwenglichen Herzensergüssen und Danksagungen des Gastwirtes zu entgehen.

Kaum war der Abbé fort, als das Weib hinter der Tür hervorstürzte und nach dem Diamanten griff. »Fünfzigtausend Franken ... das ist Geld, das ist Geld! Aber noch kein Vermögen.«

Am nächsten Tag sah man einen vornehm gekleideten Engländer nach der Nouailles-Straße gehen, wo der Gefängnisinspektor Herr von Boville wohnte. Herr von Boville war zu Hause und empfing den Fremden. Dieser begann also:

»Mein Herr, ich komme im Auftrage des Hauses Thomson& French in Rom. Seit langem sind wir in Verbindung mit Morrel& Sohn und haben viel Geld dort stehen. Man sandte mich aus, um Erkundigungen einzuziehen. Der Maire der Stadt wies mich an Sie.«

»O Verehrtester,« rief Herr von Boville, »Ihre Besorgnis ist nur allzu begründet. Ich selbst habe zweihunderttausend Franken bei dem Hause angelegt. Diese sollten in zwei Raten abgezahlt werden. Da war nun vor einer Viertelstunde Herr Morrel hier, um mir zu sagen, daß, wenn sein Schiff, der ›Pharaon‹, nicht bis zum 15. einliefe, er ganz außerstande wäre, die Zahlungen zu leisten.«

»Ich kann begreifen, daß Ihnen um diese Schuldforderung bange ist.«

»Sie ist für mich verloren.«

»Gut – so verkaufen Sie sie mir für eine Gefälligkeit, die ich von Ihnen erbitte.«

Herr Boville sah den Engländer verwundert an. Als dieser jedoch die Brieftasche zog, die mit Wertscheinen gespickt war, beeilte er sich, zu sagen: »O bitte, stehe gern zu Diensten.«

»Also: ich ward zu Rom von einem armen Teufel, dem Abbé Faria, erzogen, der plötzlich verschwand. Es hieß, er werde in Schloß If gefangengehalten. Ich wüßte gern Näheres über ihn.«

»Ach – der alte Abbé, der Narr«, sagte Herr Boville. »Ja – der ist seit sechs Monaten verstorben – – – und sein Tod führte zu einer ganz merkwürdigen Entdeckung.«

»Darf man wissen ...?« fragte der Engländer.

»O – warum nicht?« Und Herr Boville erzählte von einem äußerst gefährlichen Verbrecher, der es gewagt, bis zur Zelle des Abbé hin einen fünfzig Fuß langen Gang zu graben, um zu entkommen, und wie schließlich seine Freiheitsgelüste im Meere ertränkt wurden.

»Mein armer Abbé«, sagte der Engländer. »Sie haben aber sicher Akten darüber; würden Sie mir wohl gestatten, sie einmal durchzusehen?«

Boville, der nur an die Rettung seiner zweihunderttausend Franken dachte, sprang eilfertig auf: »Bitte, folgen Sie mir in mein Dienstzimmer.« Hier nötigte er den Engländer in seinen Schreibtischsessel, legte ihm einen Stoß Akten vor und ließ ihm Muße, alles in Ruhe zu durchblättern während er selber Zeitungen las.

Leicht fand der Engländer die auf den Abbé Faria bezüglichen Akten, dann aber blätterte er fort, bis er zu Edmond Dantes kam. Hier fand er alles: die Anklage, das Verhör, Morrels Gesuch, Herrn von Villeforts Anmerkungen. Vorsichtig kniff er die Denunziation zusammen und steckte sie in die Tasche, las das Verhör und sah, daß der Name Noirtier...