1. KAPITEL
Richard schaute zu dem seidenen, mit üppigen Volants verzierten Baldachin des Betts hinauf, das er von seinem Bruder geerbt hatte. Jetzt war er hellwach, obwohl er sich vor einer knappen Stunde völlig erschöpft gefühlt und geglaubt hatte, er würde eine Woche lang schlafen.
Dieses Bett hasste er – die weiche Daunenmatratze, das Gebirge aus aufgetürmtem Bettzeug, das ihn zu ersticken drohte. Und er hasste den Kammerdiener … Nein, das ging zu weit. Natürlich durfte er Jenkins nicht hassen, der seine Pflichten so gut erfüllte, wie es seine begrenzten Fähigkeiten erlaubten. Aber er war eben nicht Fred.
Während seiner Abendtoilette hatte er sich gewünscht, er könnte mit Fred reden und über die absurden Aspekte der letzten Tage – gleichsam Vorstöße hinter feindliche Linien – sogar lachen. Wie sie es so oft in den vergangenen sechs Jahren seines aktiven militärischen Dienstes getan hatten, trotz der Entbehrungen, die sie wegen der idiotischen Befehle eines selbstgefälligen, unfähigen Kommandanten erlitten hatten …
Doch er hatte Fred bei seinem Einzug ins Lavenham House in seinem alten Quartier zurücklassen müssen. Und obwohl er nie zuvor von einem solchen Luxus und so vielen Dienstboten umgeben gewesen war, hatte er sich noch nie so einsam oder unbehaglich gefühlt. Seufzend warf er die Decke beiseite und starrte in die Flammen, die im reich verzierten Marmorkamin züngelten. So muss einem Spion zumute sein, dachte er verbittert. Ohne die Uniform, die seine Identität bezeugte. Getrennt von seinem Regiment, seinen Kameraden. Nicht mehr mit Aufgaben betraut, die nur er allein erfüllen konnte.
Verdammt, draußen auf einer Parkbank, in seinen alten Militärmantel gehüllt, würde er viel besser schlafen als hier, halb erstickt von all den Privilegien, die ein Viscount anscheinend brauchte. Wenn er bedachte, wie er manchmal im Freien geschlafen hatte und seine Decke frühmorgens am Boden festgefroren war …
Abrupt setzte er sich auf. Am Ende der Straße lag ein kleiner Park mit Bänken. Und im Schrank hing immer noch, zu Jenkins’ kaum verhohlenem Leidwesen, sein Armeemantel.
Wenigstens für eine kleine Weile musste er diesem Haus und den Dienstboten entfliehen, selbst wenn er den Pflichten, die ihm der plötzliche, unerwartete Tod seines Bruders Mortimer auferlegte, nicht entrinnen konnte. Fluchend stieg er aus dem Bett und zog im flackernden Feuerschein irgendetwas an, das er zufällig fand. Nur den Militärmantel wählte er bewusst, schlüpfte hinein, und das fühlte sich so an, als würde er in die Arme eines alten Freundes sinken. Als wäre er immer noch Major Richard Cathcart, obwohl ihn plötzlich alle mit „Lord Ledbury“ ansprachen.
Er strich über sein vom unruhigen Schlaf zerzaustes Haar und wünschte, seine innere Zerrissenheit würde sich ebenso leicht glätten lassen. Dann hinkte er hinaus und ging, die Lippen grimmig zusammengepresst, die Treppe hinab.
Von seinem Gespräch mit seinem Großvater, dem Earl of Lavenham, hatte er sich noch immer nicht erholt. Natürlich hatte er mit Unannehmlichkeiten gerechnet. Denn nichts anderes als ein gravierender Notfall würde den alten Mann veranlassen, ihn nach Courtlands zu beordern. Und was er dort über seinen jüngeren Bruder erfahren hatte, war gewiss schockierend. Aber was ihm noch immer einen schlechten Geschmack in