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Erling Rimehaug
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Hassen kann ich nicht Olav Brennhovd - Sein Leben für die Völkerverständigung Aus dem Norwegischen übersetzt von Anne Feindt und Irina HeißDeutsche Bearbeitung von Thelma von FreymannDeutsche Ausgabe herausgegeben und ergänzt von Helga-Maria Kühn
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Hogrefe Verlag GmbH& Co. KG
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9783840930355
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CHF 15.00
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Zwischen alten Papieren findet Erling Rimehaug in einer roten Blechdose ein Neues Testament. Darin sind mit Bleistift Stichworte eines Tagebuchs notiert aus der Haftzeit in einem deutschen Zuchthaus mit Hinrichtungsstätte. Diese Aufzeichnungen gehören seinem Schwiegervater, dem norwegischen Geistlichen und Widerstandskämpfer Olav Brennhovd: Einem Repräsentanten der Kirche, den die Nachwelt schnell vergessen hatte. Einer Person, die selbst seine Familie kaum kannte. Einem Mann, der Juden rettete, und sich dennoch nach seiner Rückkehr aus der Haftanstalt auch für seine Feinde einsetzte. Brennhovd hatte sein Leben unter das Motto gestellt: Hassen kann ich nicht. Obwohl die Erlebnisse in den Kriegsjahren, die Haft und die Folter während der Verhöre tiefe Spuren in ihm hinterließen, kehrte Olav Brennhovd nach Kriegsende nicht nach Norwegen zurück. Er ging als Seelsorger in deutsche Kriegsgefangenenlager und setzte sich vor allem bei der Jugend für vorbehaltlose Völkerverständigung ein. Als Mitinitiator des Vereins 'Internationale Studentenfreunde' gründete er im Sommer 1948 in Göttingen das erste internationale Studentenheim in Westdeutschland mit dem verpflichtenden Namen 'Fridtjof-Nansen-Haus'. In den 25 Jahren seiner Tätigkeit lebten Tausende von Studierenden aus mehr als 60 Nationen als Bewohner oder Gäste in dem Heim in der Merkelstraße 4, einem Haus, 'in dem der Hass keinen Zutritt hatte'. Die deutsche Ausgabe der Biografie von Olav Brennhovd enthält auch Fotos sowie Texte zu Fridtjof Nansen und zum Fridtjof-Nansen-Haus. Das Werk macht das bemerkenswerte Leben von Olav Brennhovd und sein Eintreten für internationale Verständigung und Zusammenarbeit lebendig. Sein Anliegen hat nichts an Aktualität verloren und sein Wirken ist bis heute spürbar.
Die Blechdose Die Dose ist rot und aus Blech. Darauf steht Crav A. Es ist die Hälfte einer Zigarrenschachtel. Aber Zigarren enthält sie nicht. Ich habe schon früher einen Blick auf den Inhalt geworfen, sie aber gleich wieder zugemacht. Ich wusste, wenn ich mich einließe auf das, was dort liegt, wäre es der Beginn einer Reise. Einer Reise in die verborgenen Teile meiner Familiengeschichte. Ich weiß nicht, wohin sie führen wird. Worauf werden wir dabei wohl stoßen? Das macht mir Angst. Deswegen habe ich es so lange aufgeschoben. Wenn ich die Dose öffne, werde ich ein Neues Testament finden. Mit Randnotizen, die mit sehr, sehr dünnem Bleistift geschrieben sind. Und genauen Angaben von Daten. Die sind aus den Jahren 1944 und 1945. Es ist das Testament – im doppelten Sinne des Wortes – meines Schwiegervaters. Vielleicht machte er die Notizen nur für sich. Aber ich weiß, dass dies auch eine Geschichte ist und eine Botschaft, von der er wünschte, dass sie ihn selbst überlebte. Er muss gehofft haben, dass jemand sie bewahren und des Erzählens für wert befinden würde. Ich habe schon lange gewusst, dass ich derjenige bin, dem diese Aufgabe zuteil werden würde. Aber ich habe mich nicht bereit gefühlt, den Auftrag in Angriff zu nehmen. Dort in der Dose liegt eine Geschichte. Eine Geschichte von Heldenmut und Aushalten. Von Idealismus und Liebe. Von Glauben und Opfer – aber auch von Trauer und Entbehrung. Von Leiden. Und von Versagen. Zuallererst ist dies eine Erzählung für Mette. Sie ist seine Tochter. Aber sie ist auch meine Frau. Und darum ist es die Geschichte unserer Kinder und Enkel. Sie haben Anspruch darauf, dass sie erzählt wird. Geht sie auch andere an als uns, die Familie? Davon bin ich überzeugt. Noch immer haben wir nicht voll verstanden und verarbeitet, was mit Norwegen und Europa im Zweiten Weltkrieg geschah. Zudem ist in unserer Gegenwart aus dieser Vergangenheit etwas aufgetaucht, was wir nur noch für Erinnerung hielten, mit Tod und Verderben als Folge. Die Erfahrungen von damals können uns helfen, Antworten auf Fragen zu finden, die sich heute stellen. Wie sollen wir dem Bösen begegnen? Wie können wir es vermeiden, dem Hass zu verfallen? Gibt es Raum für Versöhnung? Wie können wir zusammenleben, obwohl wir so grundverschieden sind? Das sind Fragen, die in dieser Erzählung gestellt werden. Die von einem Mann gestellt werden, der sich anders entschied, als es die meisten getan hätten. Dieses Jahr wäre er hundert Jahre alt geworden. Dieses Jahr bin ich so alt wie er, als er starb. Darin liegt eine Art Zeichen. Jetzt oder nie. So öffne ich die Dose. Frühling 2012 Erling Rimehaug
Einleitung, Vorwort und Inhaltsverzeichnis 7 Die Blechdose 13 Das Neue Testament 15 Das Taufbild 21 Zwischen zwei Persönlichkeiten 23 Die Bärenhöhle 29 Der Mann des Widerstandes 32 Abschied 42 Das Erbe 48 Zum Leben verurteilt 51 Der SS-Offizier 54 Das Zuchthaus 59 Tagebuch aus dem Zuchthaus 62 Die zum Tode Verurteilten 80 Der lange Frühling 84 „Hassen kann ich nicht“ 92 Bärlekind 95 Die Flucht 103 Auftrag in Deutschland 113 Das Jahr der Entscheidung 122 Fridtjof-Nansen-Haus 132 Das Lebenswerk 139 Der Spalt im Eisernen Vorhang 150 Ehre für einen unbequemen Mann 153 Es wird abgerechnet 157 Olavs Tochter 162 Quellen 164 Anhang 165 Anmerkungen zur deutschen Ausgabe 167 Bildteil 169 Gründungsprogramm des Fridtjof-Nansen-Hauses 15. Juni 1948 175 Fridtjof Nansen – „Nächstenliebe ist Realpolitik“ 176 Essay über die Gründung des Fridtjof-Nansen-Hauses in Göttingen 180 Dank 187