Prolog
Februar
* * *
Es war das Seufzen gewesen, so stand es in dem Zeitungsartikel, dieses schreckliche Seufzen, das in der Morgendämmerung die Aufmerksamkeit der Frau erregte und sie an den Strand hinunterführte. Sie sagte, die Schreie der jungen Wale seien am schlimmsten gewesen. Sie hätten aufgeregt mit den Flossen geschlagen und ihr Stöhnen habe besonders gequält geklungen.
Wren Crawford klappte ihren Laptop zu und schob ihr Sandwich auf dem Schreibtisch zur Seite. Sie hatte wirklich Besseres zu tun, als in ihrer Mittagspause Artikel über Wale zu lesen, die am anderen Ende der Welt zu Hunderten gestrandet waren. Im Augenblick schaffte sie es doch kaum, das Leid zu verkraften, mit dem sie bei ihrer Arbeit mit traumatisierten Frauen und Kindern im Bethel-Haus konfrontiert wurde. Da brauchte sie sich nicht auch noch mit Informationen über eine möglicherweise aussichtslose Rettungsaktion zu belasten. Ihr Therapeut Dr. Emerson würde ihr zustimmen.Lassen Sie Tragödien, die sich nicht in Ihrer unmittelbaren Nähe abspielen, möglichst nicht an sich herankommen. Bei ihrer Arbeit hatte sie Tag für Tag mit genug Tragödien zu tun.
Sie konzentrierte sich auf die Kinderzeichnungen an den Aktenschränken und versuchte mit aller Kraft, das Bild abzuschütteln. Aber es gelang ihr nicht. Immerzu sah sie die ehrenamtlichen Helfer vor sich, wie sie mit ihren Eimern unentwegt Wasser schöpften und die überlebenden Wale damit übergossen, um sie kühl und feucht zu halten, und wie sie bei Flut mit aller Kraft versuchten, die Tiere ins Wasser zurückzudrängen. Wenn ihnen das gelungen war, bildeten sie eine Menschenkette, um zu verhindern, dass die geretteten Wale wieder an Land zurückkehrten. Hunderte Kadaver lagen bereits an den Stränden Neuseelands. Erst nach mehreren Tagen würde sich zeigen, ob ihre Bemühungen erfolgreich gewesen waren.
Wren nahm ihr Telefon zur Hand und schrieb Casey, ihrem besten Freund seit Schultagen, eine SMS. Bestimmt würde er sie wegen ihrer Überempfindlichkeit necken, aber wenn einer Verständnis für sie hatte, dann er.
Brauche eine kleine Ablenkung, schrieb sie.
Wovon?
Gestrandete Wale in Neuseeland.
Wie wäre es mit kleinen Kätzchen, die irgendjemand ausgesetzt hat?
Wren wählte seine Nummer. „Wie viele?“