1. Einleitung
Diese Einführung beginnt mit der Infragestellung ihres Gegenstands: Denn viele der Konzepte, die in der Migrationsforschung lange zentral waren oder es weiterhin sind – Migrant_innen, Kultur, Identität, Integration, Grenze – werden von einer reflexiven oder kritischen Migrationsforschung inzwischen grundlegend kritisiert, weil sie auf dichotomischen Festschreibungen beruhen, deren stete Wiederholung Ein- und Ausschlüsse fixiert. Die Migrationsforschung ist immer schon aktiv an der Herstellung ihrer eigenen Kategorien und Themen beteiligt. Das bedeutet zwar nicht, dass es Migration, Grenzen oder Identitäten nicht gäbe. Aber sich dieser Produktions- und Konstruktionsprozesse bewusst zu werden sollte heute ein wesentliches Element der Migrationsforschung sein. Dazu will diese Einführung beitragen.
Nach einer klassischen Bestimmung wird Migration definiert als längerfristige, zumindest ein Jahr andauernde räumliche Verlagerung des Lebensmittelpunkts von Individuen oder Gruppen. In räumlicher Hinsicht gilt die Überschreitung einer Grenze als internationale Migration, die durch dieses Kriterium von der Binnenmigration unterschieden wird. Soziologische Definitionen benennen drei Dimensionen der Migration: den Ortswechsel, die damit einhergehende Veränderung des sozialen Beziehungsgeflechts sowie »Grenzerfahrungen« (Oswald 2007, 13). Bestimmendes Merkmal ist also die Verlagerung des Lebensmittelpunkts (Familie, Wohnung, Arbeit, soziales Netz, Kultur). Die Bewegung einer Person ist somit das entscheidende Kriterium.
Ein anderer Zugang, der neben den Individuen und Gruppen auch die betroffenen Gesellschaften auf zentrale Weise einbezieht, betrachtet »Migration als Perspektive«. Das bedeutet, dass mit dieser Perspektive »soziale Phänomene und Kontexte erfasst werden, für die die Überschreitung politischer und symbolischer Grenzen natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit durch Menschen, Artefakte und Praxisformen konstitutiv oder zumin