I. Entgrenzung und Erfahrung
Während sich für die in den letzten fünfzig Jahren zu verzeichnenden Entwicklungen hin zu intermedialen und offenen Werken der Begriff der Entgrenzung durchgesetzt hat, ist in der ästhetischen Theorie nach 1970, besonders in der deutschsprachigen philosophischen Ästhetik, parallel dazu noch ein anderer Begriff wichtig geworden: der der Erfahrung. Hierzulande standen denn auch beide Begriffe – Entgrenzung und Erfahrung – in den letzten Jahren im Zentrum kunsttheoretischer Debatten um das Verständnis der Gegenwartskunst.1 Zwar mag die Zentralstellung dieser beiden spezifischen Begriffe besonders die deutschsprachige Diskussion charakterisieren; doch werden unter ihrer Überschrift Motive und Probleme verhandelt, die von so grundsätzlicher Natur sind, dass sich auch die internationale Diskussion auf sie beziehen lässt.
Nun konzentriert sich der eine der beiden Begriffe, der der Entgrenzung, eher produktionsästhetisch auf die neuartigenFormen, die die Kunst seit den 1960er Jahren annimmt, während der andere, der der Erfahrung, eher rezeptionsästhetisch dieWirkungen fokussiert, die von der Kunst ausgehen. Weil die beiden Begriffe nicht auf dieselben Problemfelder antworten, werden sie in den beiden folgenden Abschnitten auch zunächst getrennt voneinander diskutiert. Gleichwohl aber wird sich zeigen, dass beide Diskussionen auch aufeinander verweisen. So ist der Begriff der Erfahrung nicht zuletzt in Reaktion auf die durch die Entgrenzungstendenzen in der Kunst au