: Erwin Uhrmann
: Toko Roman
: Limbus Verlag
: 9783990391402
: 1
: CHF 8.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Erich ist Literaturwissenschaftler und forscht als Experte für Weltuntergangsszenarien zu den Auswirkungen des Küstenschwunds in England; in wenigen Tagen wird er nach Bath reisen, wo er einen lange ersehnten Lehrauftrag angenommen hat. Den bevorstehenden Jahreswechsel will er allein im Ferienhaus seiner besten Freunde im abgelegenen Irrlitz verbringen. Aber kaum ist er angekommen, klopft die Betreiberin des benachbarten Saurierparks an die Tür. Sie sucht nach ihrem Hund Toko. Erich hilft ihr bei der Suche, aber allmählich kommt ihm der Verdacht, dass Toko vielleicht gar kein Hund ist und der Saurierpark ein Geheimnis birgt, das seine Pläne und sein Leben umzuwerfen droht.

Erwin Uhrmann (geboren 1978) lebt und arbeitet in Wien. Von ihm erschienen bisher die Romane Der lange Nachkrieg (2010) und Ich bin die Zukunft (2014), die Erzählung Glauber Rocha (2011) sowie die Lyrikbände Nocturnes (2012) und Abglanz Rakete Nebel (2016). Er ist Herausgeber der Reihe Limbus Lyrik. Gemeinsam mit Johanna Uhrmann schreibt er Sachbücher.

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Erich konnte die Studierenden in der ersten Reihe gut erkennen, die in der zweiten Reihe nur mehr schlecht, und die in der dritten waren von all den vorderen verdeckt. Bis auf einen, der trug seine Kappe tief im Gesicht und sah zu Boden. Das Bild ruckelte und ein knarzendes Geräusch erfüllte den Raum. Axel fragte, ob es jetzt besser funktioniere. Erich nickte mit dem Kopf, was Axel nicht sehen konnte, und setzte sich vor die Kamera.

Alle waren sie jetzt da, von der Kamera in einem Rahmen eingefangen. Eine Perspektive, die üblicherweise nur Vögel einnehmen. Schön waren Menschen nicht von oben, wo ihre Nähte in der Mitte zusammenliefen. Einer hatte richtig schütteres Haar. Erich konnte die Ansätze einer zukünftigen Glatze identifizieren, tiefe Geheimratsecken und nackt werdende Stellen. Führte unweigerlich zu einer Glatze. Eine Angst, die ihn jahrelang geplagt hatte, wenn er Haare auf seinem Kopfpolster gefunden hatte. Danach hatte er im Spiegel analysieren müssen, ob sich seine Geheimratsecken vergrößert hatten. Damit einhergehend hatte er Stunden damit verbracht, im Internet zu suchen, wie Haarausfall begann und ob es schon ein probates Mittel dagegen gab. Aber je älter er wurde, desto gleichgültiger waren ihm die paar Haare auf dem Polster. Wahrscheinlich hatte er schon lange das Alter überschritten, in dem es gefährlich war, und das, was er am Kopf hatte, in die sichere Hälfte herübergerettet.

„Yep, ist gut“, sagte Erich, „für mich geht das jetzt gut. Und könnt ihr mich auch sehen?“

Axel ging um den Computer herum und stellte sich vor die Gruppe in der ersten Reihe. „Ja, that’s okay“, sagte er, „we can start.“

Die Stunde verging wie im Flug. Jeder in der Gruppe erzählte, wer er war, wo sein Schwerpunkt lag, und stellte ein paar Fragen. Die meisten waren ein wenig schüchtern und sprachen so leise, dass sie über den kleinen Lautsprecher am Laptop dünn und blechern klangen. Nicht alles, was auf diese Weise zu ihm durchdrang, konnte er verstehen. Insgeheim fragte er sich, ob es an seinen mangelnden Sprachkenntnissen lag oder nur an der Übertragung. In beiden Fällen war er zuversichtlich – vielleicht auch, weil er der Situation generell positiv gegenüberstand –, dass er im Laufe der Zeit ihr Vertrauen noch gewinnen würde. Schon in zwei Wochen würde die Lehrveranstaltung beginnen, und seine Vorfreude war so immens, dass er jeden Moment, der mit der Vorbereitung und der neuen Lebenssituation zu tun hatte, bewusst genoss.

Nicht, dass er intensiv an einer Karriere im Ausland gearbeitet oder es je forciert hatte, einen Forschungsauftrag andernorts zu erhalten. Sein innigster Wunsch war es trotzdem immer gewesen, in eine andere Stadt zu ziehen, Wien hinter sich zu lassen, Wien, eine Stadt, die er eigentlich nur in den Herbstmonaten leiden konnte.

Einmal, auf einer Urlaubsreise nach Vietnam, hatte er einen jungen Physiker kennengelernt, der seinen Job in Princeton an den Nagel gehängt hatte, um auf Reisen von der Hand i