1. KAPITEL
„Ich bin Adir Al-Zabah, Eure Hoheit, Scheich der Stämme Dawab und Peshani.“
Er hatte keinen Respekt vor dem alten König, ein Mann, der eine Frau – ein schwächeres Wesen – unterjocht und gezwungen hatte, sich seinem Willen zu beugen.
Trotzdem deutete er eine leichte Verbeugung an. Auch wenn er im Vergleich zu den königlichen Geschwistern Prinz Zufar und Prinz Malak und Prinzessin Galila unzivilisiert sein mochte, kannte er die Gepflogenheiten und Traditionen.
Wie ein Falke, der über den Weiten seines Wüstenreiches kreist, starrte er König Tariq von Khalia an und wartete darauf, in den traurigen Augen ein Anzeichen dafür zu finden, dass er ihn erkannte.
Es war Kummer, der in dem Blick des Königs lag. Kummer, den auch er selbst empfand, seit er von Königin Namanis Tod gehört hatte. Der alte Mann schien seine Frau tatsächlich geliebt zu haben.
Doch jedes Mitgefühl, das Adir vielleicht verspürt haben mochte, erstarb unter der Feindseligkeit, die in ihm loderte. Ihm war noch nicht einmal das Recht eingeräumt worden, öffentlich zu trauern und ihr die letzte Ehre zu erweisen.
Selbst die Chance, sie einmal im Leben zu sehen, war ihm versagt worden.
Seine letzte Blutsverbindung. Es würde keine Briefe mehr geben, in denen stand, dass er geschätzt wurde. Keine Briefe, die ihn an den Platz erinnerten, auf den er noch nie Anspruch erhoben hatte.
Nun war er völlig allein auf der Welt.
Und schuld daran war allein dieser König.
Während König Tariq ihn mit verwirrtem Blick ansah, trat einer der Prinzen vor und versperrte die Sicht auf die gebeugte Gestalt des alten Königs.
„Ich bin Kronprinz Zufar. Wenn Sie gekommen sind, um Königin Namani die letzte Ehre zu erweisen und König Tariq Treue zu geloben …“, begann er, und seine Feindseligkeit spiegelte Adirs eigenes Empfinden wider, „dann betrachten Sie es als erledigt.“
Adir biss die Zähne zusammen. „Ich bin der regierende Scheich der Stämme Dawab und Peshani. Wir sind unabhängige Stämme, Eure Hoheit.“ Er legte all den Spott, den er empfand, in die Anrede. „Ich gestehe Ihnen oder Ihrem König keinerlei Autorität über unsere Stämme zu.“
In den Augen des Prinzen leuchtete etwas auf, das fast wie Bewunderung wirkte. Doch es war so schnell wieder verschwunden, dass Adir sich fragte, ob es nur Einbildung gewesen war. War er so verzweifelt auf eine familiäre Verbindung aus?
„Die königliche Familie will in diesen Tagen für sich trauern. Wenn Sie nicht gekommen sind, um Ihren Respekt zu erweisen, warum haben Sie dann um eine Audienz bei meinem Vater gebeten?“
Dass er sich mit diesem Mann herumschlagen musste, der alles hatte, was ihm selbst verweigert worden war, fühlte sich an, als würde man Sand in eine offene Wunde reiben. „Ich habe um einen Besuch beim König angesucht. Nicht bei Ihnen.“
Befriedigung leuchtete in Zufars Augen auf, weil er das Recht hatte, Adir diesen Wunsch zu verweigern. Und auch alles andere, um das er vielleicht bitten würde. „Mein Vater ist … er ist überwältigt vor Trauer über den Tod seiner Königin.“
Der Tod seiner Königin, nicht der Tod meiner Mutter, dachte Adir. Die Worte des Kronprinzen klangen aufschlussreich.
In den Augen des Prinzen lag kein Schmerz um seine Mutter. In seiner Stimme war keine Zärtlichkeit, wenn er von ihr sprach. „Er is