1.
Tief und tiefer
»Sind wir so weit?«, klang Ghizlane Madounis Stimme aus dem Funkempfänger. Die Kommandantin der ORATIO ANDOLFI erkundigte sich mit einem leichten Anflug von Sorge nach dem Zustand der ORPHEUS. Eine Bildübertragung gab es nicht, und das war womöglich sogar ganz gut so, fand Marek Derowia.
»Alle Systeme bereit!«, antwortete Farye Sepheroa. »Start vorbereitet.«
»Ist sie nervös?«, fragte Derowia, wobei ihm selbst nicht klar war, ob er in die Runde oder nur zu sich selbst sprach.
»Ghizlane ist ein Profi«, sagte Sepheroa, die permanent mit der Positronik kommunizierte. Noch ein letzter Check des Antriebs, der Lebensversorgung, der Abschirmung.
»Sieist nervös«, entschied der Geologe und tappte mit den Fingern der rechten Hand auf die Konsole. Er hatte seine Systeme dreimal geprüft, insbesondere den Sensorstreifen draußen am Bug, der Augen und Ohren sein würde, sobald sie in die Tiefe gingen. Es juckte ihn, es noch ein viertes Mal zu tun, aber weil er sich nicht entscheiden konnte, trommelte er stattdessen auf die Konsole. Seine Fingermussten etwas tun.
»Wohingegen du die Ruhe selbst bist.« Die Pilotin zwinkerte ihm zu.
»Ja. – Nein! – Ich bin momentan gar nichts, weder Fels noch Erde, weder Wasser noch Land.«
Kein Wunder. Es war die Jungfernfahrt des Gäonautikums, ohne dass zuvor Praxistests absolviert worden wären. Ohne Generalprobe direkt zur Premiere. Es konnte nichts mehr nachjustiert oder verbessert, kein Teil ausgetauscht oder ein zweites dazugesetzt werden.
Es klappte, oder sie waren tot.
*
Die ORATIO ANDOLFI, ein mächtiger Kugelraumer der VASCO-III-Klasse und das stolze Flaggschiff der Liga, ging in Position.
»Dann legen wir mal los!«, befahl Kommandantin Ghizlane.
Der Desintegrator fräste sich durch den sechs Meter dicken Eispanzer des Ozeans von Zeut und erzeugte dabei eine mächtige Dampfwolke, die gut hundert Meter aufstieg und sich sehr langsam als sanfter Schneefall in die Umgebung wieder herabsenkte. Innerhalb weniger Sekunden war ein Durchlass für die ORPHEUS geschaffen, ein großes, dunkles Loch im Nichts, wie ein bodenloser Abgrund.
»Gäonauten-Team, bitte alle anschnallen, eure Reise beginnt in drei ... zwei ... eins ...«
Ein leichtes Gefühl des Fallens, dann Ruhe, als wären sie nicht mehr in Bewegung.
Dennoch krallte Derowia die Finger ins Polster und presste die Lippen zusammen. Ein starkes Fesselfeld schützte ihn, er trug einen SERUN, und noch war er gar nicht dort, wohin er wollte. Er sollte nicht so angespannt sein.
Aber es war nun einmal ein Unterschied zwischen der Planung einer Mission und deren Ausführung. Genau wie für das Gäonautikum auch wardiese Reise sein erstes Mal. Er war schon in engen Höhlen herumgekrochen, hatte sich an die Calderen aktiver Vulkane herangewagt ... aberdas ...
»ORATIO, wir sind unterwegs, bis jetzt alles einwandfrei«, funkte Sepheroa. »Die Lücke sieht sauber aus.«
Das Holorama zeigte die Fahrt im Traktorstrahl nach unten, und der Geologe blickte über eine endlose weiße Weite im matten Sternenlicht.
Der Eintauchpunkt rückte schnell näher.
»Der Einlass zum Hades«, witzelte Derowia und wusste nicht, wen er damit beruhigen wollte. Oder wollte er Perry Rhodan mit seinem historischen Wissen beeindrucken? Das war gar nicht ungewöhnlich. Als Geologe, der auf der anderen Seite des Dyoversums geboren war und daran arbeitete, in die ursprüngliche Heimat zurückzukehren, musste er auch über die Mythologie der Unterwelten inform