Samstagnacht, Unterallgäu
Ein prächtiger Vollmond verwandelte das Unterallgäu mit seinem kalten Glanz in jener samtigen, lindwarmen Juninacht in eine anmutige Landschaft voller flüsternder Geheimnisse und tauchte akkurat gepflegte Vorgärten, spärlich beleuchtete Gassen und den liebevoll ausgestalteten Marienbrunnen am Legauer Marktplatz in geheimnisvolles Licht.
Kein Laut war aus den verschatteten, mit blühender Klematis und dichtem Liguster umwachsenen Gärten zu vernehmen. Fauchend jagten sich zwei liebeshungrige Katzen, ungeachtet des schallenden Gelächters aus dem »Mohren«, über den Asphalt und verschwanden kreischend hinter der Kirche, während sich das amüsierte Kichern der Damen vom Kegelclub aus dem Biergarten der Pizzeria in der warmen Sommerluft verlor. Am Illerufer in Richtung Kaltbronn hüpften neun unbekleidete Damen in den allerbesten Jahren, die sich »Hexenzirkel« nannten, rhythmisch um ein großes Feuer und beschworen, mit welken Margeriten bekränzt, enthusiastisch die Erdgöttin. Sehr zur Freude von Schucki Hermann aus Lautrach übrigens, der während der Heimfahrt auf seinem bevorzugten Schleichweg zufällig auf das Getrommel aufmerksam geworden war und nun aus einem dichten Gebüsch heraus die ausgelassene Festivität beobachtete. Während er sich kindlich an den ums Feuer hüpfenden Hexen erfreute, wurde überall im Landkreis gegrillt, gefeiert, gelacht und getanzt bis in den frühen Sonntagmorgen hinein. Immerhin war heute eine Sonnwend und damit auch die kürzeste Nacht des Jahres.
Der Rest von Legau schlummerte derweilen hinter zugezogenen Gardinen den Schlaf der Gerechten – und Pfarrer Sommers Sonntagspredigt entgegen, die sich nur durch einen anschließenden deftigen Frühschoppen im Gasthaus »Mohren« verdrängen lassen würde. Alles war irgendwie in allerbester Ordnung.
Eingebettet zwischen sanft gewölbten, dicht bewachsenen Hügeln wie ein halb versunkenes architektonisches Kleinod, einige Kilometer vom Flusslauf der Iller entfernt, beschien der Mond mit seinem mysteriösen Licht auch den Moserhof, ein stattliches Anwesen, das sich wie gemalt in die Landschaft schmiegte.
Ein frisch gepflasterter, von hohen Birken gesäumter Zufahrtsweg führte geradewegs zu dem geräumigen dreihundert Quadratmeter großen Wohngebäude, von dem eine Hälfte in strahlendem Weiß leuchtete, während die andere mit Baugerüsten versehen und mit Planen abgedeckt war. Durch einige Fenster im bewohnten Trakt drang helles Licht. Weinseliges Gelächter hallte aus dem Gebäude in die warme Juninacht, untermalt von psychedelischen Klängen einiger Bands, deren Mitglieder schon vor vielen Jahren, vorwiegend aufgrund von Drogenmissbrauch oder anderen Unbotmäßigkeiten des Schicksals, das Zeitliche gesegnet hatten.
Umgeben war das Gehöft von einer gekalkten hohen Mauer, um die Bewohner vor neugierigen Blicken zu schützen. Diese hatte anfangs für einigen Gesprächsstoff im Dorf gesorgt, aber mittlerweile waren die Legauer daran gewöhnt, dass die Bewohner des Anwesens es vorzogen, unter sich zu bleiben. An dem schmiedeeisernen elektrischen Gittertor, das um