: Katharina Lamprecht, Stefan Hammel, Adrian Hürzeler, Martin Niedermann
: Wie der Bär zum Tanzen kam 120 Geschichten für einen gesunden Körper
: Ernst Reinhardt Verlag
: 9783497609635
: 1
: CHF 14.40
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: Lebensführung, Persönliche Entwicklung
: German
: 157
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ob Zahnschmerzen, Allergien, Rückenprobleme oder Essstörungen: Körperliche Beschwerden sind oft lästig, manchmal auch kaum auszuhalten und beängstigend. Wie sehr uns ein Leiden beeinträchtigt und wie gut eine Therapie wirkt, lässt sich durch die eigenen Gedanken und Erwartungen beeinflussen. Dieses Buch versammelt therapeutische Geschichten, die Aufmerksamkeit und Gedanken in eine neue Richtung lenken. Dadurch unterstützen sie Heilprozesse des Körpers. Märchen, Alltagsanekdoten mit ungewöhnlichen Pointen, Entspannungsanleitungen und Imaginationen lassen die LeserInnen und HörerInnen wie in einer Trance positive Veränderungen erkennen und erleben. So können quälende Leiden gemildert und Symptome abgeschwächt werden.

Katharina Lamprecht, Raum Frankfurt a.M., ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Hypnotherapeutin (hsb) und Systemische Supervisorin (DGSP). Stefan Hammel arbeitet als Klinik- und Psychiatriepfarrer, Kinder-, Familien- und Hypnotherapeut sowie als Ausbilder für Psychotherapie und leitet das Institut für Hypnosystemische Beratung in Kaiserslautern. Adrian Hürzeler, Reinach?/?Schweiz, ist selbstständiger Coach und Achtsamkeitstrainer mit eigener Praxis für Persönlichkeits- und Führungsentwicklung. Martin Niedermann, Bern?/?Schweiz, ist professioneller Geschichtenerzähler (VEE), hypnosystemischer Coach (hsb), und Dozent. Auftritte in verschiedenen Formationen mit Musik, Liedern und Geschichten.
Geschichten als Heilmittel?

Das ist nun schon so lange her und könnte doch auch gerade gestern geschehen sein. Eines Abends, kurz vor Geschäftsschluss, betrat eine Frau, sichtlich leidend, eine Apotheke und verlangte nach einem Medikament. Die benötigte Mixtur war verschreibungspflichtig, und die Frau hatte kein Rezept dafür. Der Apotheker durfte ihr das Mittel nicht geben. Er überlegte: Der Weg zum nächsten Arzt war weit. Am selben Tag würde sie das nötige Rezept nicht mehr bekommen, und bis zum nächsten Tag würde sich ihr Zustand wahrscheinlich verschlechtern. Was sollte er tun? „Einen Augenblick!“, sagte der Apotheker und ging in sein Labor. Er mischte destilliertes Wasser mit einigen Aromen und etwas Farbstoff, füllte die Mischung in ein kleines Fläschchen ab und schrieb ein paar lateinische Worte darauf. Das Fläschchen überreichte er der Dame mit den Worten, diese Mischung sei besonders stark und müsse genau nach seiner Vorschrift eingenommen werden, drei Mal täglich vor den Mahlzeiten. Eine Woche später betrat die Frau wieder die Apotheke und bedankte sich bei dem Apotheker. Sie sei von ihrem Leiden dank seines hervorragenden Mittels vollständig geheilt.

Der Apotheker Émile Coué, von dem hier die Rede ist, hatte in Nancy die damals neue Technik der Hypnose erlernt. Schon bald begriff er, dass kein Pendel, kein Magnet und kein hypnotischer Blick notwendig waren, damit Suggestionen ihre Wirkung entfalteten. Ein Ritual mit einem zauberhaften Augenblick, in den hinein die Suggestion gesprochen wird, war durchaus nützlich, aber es brauchte dafür keine speziell zu erlernende hypnotische Technik. Die gegebenen Suggestionen werden umgesetzt, wenn sie so vermittelt werden, dass sie mit Sinn und Bedeutung gefüllt erscheinen, sodass der Hörer sie für sich als relevant und plausibel empfindet. Nützlich ist es, wenn dieser Augenblick frei von Skepsis ist. Die Hypnotiseure versuchten dies zu erreichen, indem sie ihre Worte in einem schlafähnlichen Zustand gaben, in dem der Patient zur Kritik nicht fähig war. Die kritischen Stimmen des Patienten, die als stillschweigende Gegensuggestionen die heilenden Worte des Hypnotiseurs zu zerreden drohten, können jedoch auch auf vielfältige andere Weise umgangen werden.

Coué hatte die Möglichkeit entdeckt, Heilung durch die Gabe eines Placebos zu stimulieren. Eine weitere Möglichkeit, um Suggestionen mit einer gefühlten Plausibilität zu versehen und kritische Einwände zu unterbinden, besteht darin, suggestive Mitteilungen in das Gewand einer Geschichte zu kleiden. Gute Geschichten werden üblicherweise nicht kritisch diskutiert. Auf einen Witz, eine Anekdote oder eine Fabel wird kaum jemand antworten: „Das geht doch gar nicht …“ Vielmehr erlaubt man ihrer Wirkung, sich still im Inneren zu entfalten – wie die Wirkung eines Medikaments.

Ein Placebo ist ein Heilmittel ohne Wirksubstanz. Wenn nun gar kein Wirkstoff in dem Mittel enthalten ist, was wirkt denn dann am Placebo? Der Wirkstoff ist die Geschichte, mit der es verabreicht wird, und das vermeintliche Mittel ist lediglich Teil eines Rituals, das der Geschichte Bedeutung verleiht. Das wirkstofflose Mittel sorgt dafür, dass die Geschichte nicht als Bericht aus einer fremden Realität, sondern als Teil der physischen Wirklichkeit des Patienten erlebt wird.

Geschichten sind Placebos. Als solche sind sie Heilmittel, …

  … wenn sie mit der subjektiv als echt erlebten Wirklichkeit des Hör