Zweites Kapitel
Ich war jetzt braver als je vorher in der Schule, und fleißiger. Meine Mutter war schon zwei Monate tot, und ich hatte ein keusches Leben geführt. Weder einen Schwanz noch eine Schwanzspitze hatte ich die ganze Zeit gesehen, und wenn mich meine Muschel kitzelte und ich wider Willen ans Vögeln denken mußte, hatte ich doch der Versuchung widerstanden, das Verlangen, das mir zwischen den Füßen brannte, mit eigenen Fingern zu trösten. Da wurde für unsere Klasse und für die ganze übrige beichtpflichtige Schule wieder eine Beichte angesetzt. Ich wollte mich diesmal von der Sünde der Unkeuschheit reinigen und beschloß, alles zu beichten. Auch für die Todsünde, die ich begangen hatte, indem ich meine Vergehungen bei allen früheren Beichten verschwiegen, wollte ich diesmal Vergebung erbitten.
Bisher hatte ich, sooft ich bei unserem jungen Katecheten zur Beichte war, immer »nein« gesagt, wenn er mich am Schluß meines Bekenntnisses fragte: »Hast du Unkeuschheit getrieben?« Es war ein schwarzhaariger, langer und bleicher junger Mann und besaß eine strenge Miene, vor der ich mich ebenso sehr fürchtete wie vor seiner mächtigen Nase. Diesmal aber wollte ich aufrichtig alles gestehen.
Die Kirche war voll Kinder, und es wurde an drei Beichtstühlen gebeichtet. Ich kam zu einem ältlichen fetten Kooperator mit einem großen runden Gesicht. Ich kannte ihn nur vom Sehen, und er schien mir nachsichtig zu sein, weil er immer so freundliche Mienen machte.
Zuerst beichtete ich meine kleinen Sünden. Doch er unterbrach mich mit der Frage: »Hast vielleicht gar Unkeuschheit getrieben?«
Zitternd sprach ich: »Ja ...«
Er legte seine harten Wangen dicht an das Gitter und fragte: »Mit wem ...?«
»Mit dem Franzl ...«
»Wer ist das?«
»Mein Bruder ...«
»Dein Bruder ...? So! So! Und vielleicht noch mit wem?«
»Ja ...«
»Also ...?«
»Mit dem Herrn Horak ...«
»Wer ist das?«
»Der Bierversilberer in unserm Haus.«
»Mit wem noch ...?« Seine Stimme bebte.
Ich mußte das ganze Namenregister herzählen.
Er rührte sich nicht, als ich fertig war. Nach einer Pause fragte er: »Wie hast du Unkeuschheit getrieben ...?«
Ich wußte nicht, was ich antworten sollte. Da herrschte er mich an: »Also wie habt ihr's denn gemacht?«
»Mit ..., na ...«, ich stotterte, »mit dem, was ich zwischen den Füßen ...«
Er schüttelte den Kopf: »Habt ihr gevögelt ...?«
Mir kam das Wort aus seinem Munde merkwürdig vor, aber ich sagte: »Ja ...«
»Und hast du's auch in den Mund genommen ...?«
»Ja.«
»Und hast du dir's auch in den Arsch stecken lassen?«
»Ja.«
Er schnaufte und seufzte und sagte: »Ach Gott, ach Gott, mein Kind ..., Todsünden ..., Todsünden ...«
Ich war ganz weg vor Angst. Er aber meinte: »Da muß ich alles wissen, hörst du? Alles!« Nach einer Weile fuhr er fort. »Das wird aber eine lange Beicht werden ..., und die andern Kinder warten ..., bleibt nix übrig, als daß du extra beichten kommst, verstehst?«
»Ja, Hochwürden ...«, stammelte ich.
»Gleich Nachmittag, so um zwei ..., komm zu mir ...«
Ich verließ verzweifelt den Beichtstuhl. »Bis dahin«, sagte mir der Kooperator Mayer noch zum Schluß, »bis dahin erinner' dich an alles. Denn wenn du nicht alles beichten wirst, hilft dir die Absolution nicht ...«
Ich schlich beklommenen Herzens nach Hause, setzte mich nieder und dachte krampfhaft nach und ließ mir alles, was ich getan hatte, wieder einfallen. Vor der Beichte im Zimmer des Kooperators hatte ich eine große Angst und fürchtete mich vor der Buße, die er mir auferlegen werde. Als es aber Zeit war und ich gehen mußte, fragte mich mein Bruder Lorenz, wohin ich in dem schönen Kleid wolle, und da sagte ich stolz: »Zum Herrn Kooperator Mayer muß ich ..., er hat mir 's geschafft, daß ich hinkommen soll.« Lorenz sah mich mit einem sonderbaren Blick an, und ich ging.
Es war Sommer, aber im großen Pfarrhaus umfing mich eine heilige Kühle und eine Stille, die mir Ehrfurcht einflößte. Ich las an den Türe