Dienstag, 14. August
0.14 Uhr
Mit jedem Atemzug schneidet eiskalte Luft in meine Lunge. Um die Durchblutung meiner tauben Füße anzuregen, gehe ich an die andere Seite des Tunnels. Spähe in seine schwarzen Tiefen. Bestimmt nichts weiter als eine lange Röhre Beton und Abfall, Unterschlupf für Ratten und Mäuse, die irgendwann in andere Betonkorridore unter harmlosen Straßen und Gebäuden mündet. Verblasste Graffiti haften an der gewölbten Wand, die bunten Hieroglyphen grell beleuchtet von einer Handy-Taschenlampe. Das Polizei-Absperrband vor dem Eingang ist noch straff gespannt, es zittert kaum merklich im Windhauch. Der nahe gelegene Asphaltweg ist spiegelglatt vom Regen. Hoch oben lugt ein feister Mond auf die stumpfen Ränder der Stadt herab. Während ich weiße Dampfwölkchen ausatme, denke ich daran, wie viel düsterer die Tatorte hier immer aussehen als zuvor in Smithson. Irgendwie so viel finsterer.
Ich ließ mich gerade in meine zweite Stunde Schlaf fallen, als der Anruf kam. Körperverletzung mit Todesfolge in Carlton. Während ich das Handy ablegte, warf ich einen Blick auf den leise schnarchenden Mann im extrabreiten Bett neben mir. Ich schlüpfte aus dem warmen Kokon, stolperte in das kleine Wohnzimmer und zog leise die Kleider wieder an, die ich erst vor einer guten Stunde abgestreift hatte.
Nachdem ich die Tür hinter mir zugezogen hatte, ging ich zum Aufzug und eilte mit gesenktem Blick durch die glänzende Lobby, ehe ich ins Taxi sprang. Die Stadt ist nachts kleiner, und jetzt, keine Viertelstunde später, starre ich einem Toten ins Gesicht, während mir der Wind in Nase und Ohren beißt.
Mein Körper schreit nach Ruhe. Mein Atem schmeckt nach Wein. Auf der Haut spüre ich noch den Sex. Ich wickle mich fester in meinen Wollmantel und schüttle den Kopf, zwinge mich zu der Einsicht, dass zumindest in den nächsten paar Stunden an Schlaf nicht zu denken ist.
Die Kriminaltechniker in ihren leuchtend weißen, bauschigen Overalls gehen schweigend ihrer Arbeit nach. Behandschuht, die Zähne zusammengebissen, pflücken sie mit Pinzetten Gegenstände vom Boden auf und lassen sie behutsam in Asservatenbeutel fallen, während sie die Lage vor Ort mit erfahrenem Blick abschätzen.
Ich höre nichts als das unendliche Summen der langen Nacht.
Als in der tristen Umgebung ein Kamerablitz aufleuchtet – einmal, zweimal, schon wieder –, zucke ich etwas zusammen, und es erinnert mich an ein Musikvideo. Doch anstelle von lasziv tanzenden Silhouetten ist da nur das Profil des Opfers, mit vornübergekippt hängendem Kopf, den Rücken fest an die Wand gelehnt. Im Tode schmiegen sich die knorrigen Finger des alten Mannes sanft zusammengerollt in die Handflächen. Sein kahler Schädel wird partiell von einer löchrigen Wollmütze vor der Kälte geschützt. Die Trainingshose ist bis zu den Knien herabgezogen, doch das zu große Hemd bedeckt den Schritt. Das trocknende Blut an