Kapitel 1
»Warum machst du dich selbst immer so schlecht? Wirklich verrückt, dass ein Mädchen wie du derart wenig Selbstvertrauen hat. Oder es ist nur eine List.«
»Was für eine Art von List denn bitte schön? Nur du kannst so einen Blödsinn reden.«
»Vielleicht willst du damit ja nur erreichen, dass man dir Komplimente macht.«
»Siehst du, ich habe recht! Wenn ich hübsch wäre, würdest du nicht denken, ich hätte es nötig, dass man mir Komplimente macht.«
»Du gehst mir echt auf die Nerven, Hope. Das Unwiderstehliche an dir ist deine geistreiche Art. Du bist das witzigste Mädchen, das ich kenne.«
»Wenn ein Junge zu einem Mädchen sagt, dass sie witzig ist, heißt das fast immer, sie ist hässlich.«
»Ach wirklich, weil sie nicht zugleich hübsch und witzig sein kann? Wenn ich gewagt hätte, das zu sagen, hättest du mir vorgeworfen, sexistisch und chauvinistisch zu sein.«
»Und dazu eine echte Pfeife – aber ich darf das sagen. Also, wie ist diese Anita?«
»Welche Anita?«
»Jetzt tu nicht so unschuldig!«
»Sie hat mich nicht begleitet. Wir haben zufällig nebeneinander im Kinosaal gesessen und nur unsere Meinungen über den Film ausgetauscht.«
»Ihr habt eure Meinungen über einen Film ausgetauscht, in dem es um eine anderthalbstündige Verfolgungsjagd und zum Schluss um eine stürmische Umarmung ging?«
»Du hältst mich von der Arbeit ab!«
»Seit einer Stunde schielst du immer wieder zu der Brünetten hinüber, die da ganz hinten am Ende der Bibliothek sitzt. Soll ich mich für dich einsetzen? Ich kann sie um ihre Telefonnummer bitten für den Fall, dass sie Single ist, und ihr sagen, dass mein guter Freund davon träumt, sie in einen Autorenfilm mitzunehmen.La grande bellezza – Die große Schönheit oder ein Meisterwerk von Visconti oder sogar einen alten Capra-Film …«
»Ich versuche, hier wirklich zu arbeiten, Hope, und ich kann nichts dafür, dass sich diese junge Frau in meinem Blickfeld befindet, während ich nachdenke.«
»Man kann die Anziehungskraft wirklich nicht dafür verantwortlich machen, dass Menschen sich verlieben, da gebe ich dir recht. Und über was grübelst du nach, wenn ich fragen darf?«
»Über Neurotransmitter.«
»Aha. Noradrenalin, Serotonin, Dopamin, Melatonin …«, zählte Hope mit ironischem Unterton auf.
»Jetzt sei mal still und hör mir einen Augenblick zu. Sie mobilisieren das Gehirn hinsichtlich bestimmter Aktionen, erhöhen Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit, beeinflussen unsere Schlafzyklen, unser Ernährungs- und unser Sexualverhalten … Melatonin spielt eine Rolle bei der Winterdepression …«
»Wenn du mir sagen kannst, welcher Neurotransmitter bei der Sommerdepression im Spiel ist, und zwar in dem Moment, in dem man versucht, sich in einen Bikini zu zwängen, schlage ich dich für den Nobelpreis vor …«
»Und wenn diese Moleküle in beide Richtungen funktionieren? Wenn die Neurotransmitter Informationen über die Auswirkungen sammeln würden, die sie im Lauf unseres Lebens auslösen? Stell dir vor, sie würden wie Teilchen eines ›Arbeitsspeichers‹ agieren, die unseren ganzen Erfahrungsschatz sammeln, alles, was unseren Charakter prägt, was uns verändert. Niemand weiß, wo im Gehirn sich unser Bewusstsein befindet, was aus jedem von uns ein einzigartiges Wesen macht. Stell dir also vor, dass die Neurotransmitter wie vernetzte Computer die enormen Mengen an digitalem Material speichern und so das Netzwerk bilden, in dem unsere Persönlichkeit wohnt.«
»Großartig! Geradezu genial! Und wie willst du das beweisen?«
»Warum, glaubst du, studiere ich Neurowissenschaften?«
»Um die Mädchen zu verführen, und ich bin sicher, der erste Prof, dem du von deinen revolutionären Theorien berichtest, wird dir vorschlagen, auf Jura