Einleitung zu dieser Ausgabe
von Deborah G. Plant
Am 14. Dezember 1927 bestieg Zora Neale Hurston um 15:40 Uhr an der New Yorker Penn Station den Zug nach Mobile, um mit dem letzten bekannten überlebenden Afrikaner des letzten amerikanischen Sklavenschiffs, derClotilda, eine Reihe von Interviews zu führen. Er hieß Kossola, wurde aber Cudjo Lewis genannt.1 Fünfeinhalb Jahre lang war er in Plateau-Magazine Point, Alabama, als Sklave gehalten worden, von 1860 bis zu dem Tag, an dem Soldaten der Nordstaaten ihm mitteilten, er sei frei.2 Kossola verbrachte den Rest seines Lebens in Africatown (Plateau). Hurstons Fahrt nach Süden war eine Fortsetzung der Feldforschungen, die sie im selben Jahr begonnen hatte.
Oluale Kossola hatte die Gefangennahme durch dahomeische Krieger, die Barracoons in Ouidah (Whydah) und die Mittelpassage überstanden. Er war versklavt worden, er hatte den Bürgerkrieg und die problematische Wiedereingliederung der Südstaaten in die Union(Reconstrution) durchlebt, und er hatte die Rassentrennung der Jim-Crow-Zeit (siehe Glossar) erduldet. Er hatte eine neue Ära anbrechen sehen, in der es zum Ersten Weltkrieg und zur Weltwirtschaftskrise kam. Die folgenschweren Ereignisse von Kossolas eigener kleiner Welt spielten sich im großen Rahmen des Weltgeschehens ab.
Als Kulturanthropologin, Ethnografin und Volkskundlerin war Zora Neale Hurston an seinen Erfahrungen sehr interessiert. »Ich wüsste gern, wer du bist«, erklärte sie Kossola, »und wie du ein Sklave wurdest und zu welchem Teil von Afrika du gehörst und wie es dir als Sklave erging und wie du als freier Mann zurechtgekommen bist.« Kossola ließ ihre Fragen auf sich einwirken und hob dann ein tränenüberströmtes Gesicht. »Danke, Jesus! Kommt jemand und fragt nach Cudjo! Ich will jemand erzählen, wer ich bin, und eines Tages geht er vielleicht nach Afrikaland und sagt meinen Namen, und jemand da sagt: ›Ja, Kossula, den kenn ich.‹ «3
Über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg besuchte Hurston Kossola. Sie brachte Pfirsiche aus Georgia, Schinken aus Virginia, spätsommerliche Wassermelonen und Insektenpulver mit. Die Geschenke waren ebenso sehr eine Entwicklungshilfe für ihre entstehende Freundschaft wie ein Mittel, um Kossolas Erinnerungen aufzuhelfen. Sein Leben war zum großen Teil »eine Abfolge von Trennungen«.4 Leckerbissen können schmerzlindernd wirken. Kossola vertraute darauf, dass Hurston seine Geschichte erzählen und der Welt mitteilen würde. Andere hatten Kossola interviewt und darüber geschrieben – mit dem Fokus auf ihn oder allgemeiner auf die Gemeinschaft von Überlebenden in Africatown. Aber nur Zora Neale Hurston führte ausgiebige Gespräche, aus denen ein ganzes Buch mit einer umfassenden Schilderung von Kossolas Leben entstand. Als Titel schwebte ihr abwechselnd »Barracoon: The Story of the Last ›Black Cargo‹ « und »The Life of Kossula« vor. Wie schon bei den anderen Interviews hoffte Kossola, die Geschichte, die er Hurston anvertraute, möge sein Volk erreichen, dem er immer noch nachtrauerte. Der Abbruch aller Verbindungen bereitete ihm einen Kummer, der ihn niemals verließ.
Herkunft
Kossola wurde um 1841 in der Sta