Prolog
Kurz vor Morgengrauen hing ein staubiger Dunstschleier über den aus Lehmziegeln erbauten Hütten, und von den Feuerstellen wehte Essensgeruch herüber zu den Scharfschützen. Ein Junge trieb einige Ziegen mit einem Stock über den steinigen Untergrund nach Osten, dorthin, wo die Tiere noch etwas zu fressen fanden. Karg und trostlos war dieser Landstrich, genau wie das Leben der wenigen Bewohner. Ein einsamer patrouillierender Wachposten mit einer AK-47 Kalaschnikow kämpfte sichtlich gegen seine Müdigkeit an.
Nachdem der Hubschrauber Gunnery Sergeant Kyle Swanson und seinen Assistenten Corporal Eric Martinez abgesetzt hatte, waren die beiden Marines zweiundsiebzig Stunden zu Fuß zu dem versteckten Aussichtspunkt unterwegs gewesen. Sie hatten Täler durchquert, steile Berghänge erklommen und waren kaum sichtbaren Pfaden gefolgt, die schließlich zu jener staubigen Straße führten, welche durch das namenlose Dorf verlief.
Wohlweislich hatten sie sich nur im Schutz der Dunkelheit fortbewegt, denn obwohl wie Einheimische gekleidet, sahen sie doch fremd aus: Swanson stammte aus Massachusetts, war irischer Abstammung und hatte rötlich blondes Haar; Martinez war Mexikaner mit olivfarbener Haut. Unter diesen Umständen durften sie es nicht riskieren, zu genau in Augenschein genommen zu werden, zumal sie bewaffnet waren.
Alle zwei Stunden hatten sie sich, wie vereinbart, über Funk gemeldet. Swanson war schweigend vorausgegangen, als sie sich der Straße genähert und bald die Lichter des Dorfes in der Ferne entdeckt hatten. Ein letztes Mal hatte er einen Blick auf die Karte geworfen, gelächelt und sie wieder in seiner Tasche verstaut.
Es war noch dunkel, als sie die tiefe Höhle auf dem Bergkamm über dem Dorf erreichten. Am anderen Ende der Kaverne gab es einen zweiten Eingang, durch den sie unbemerkt hineinkriechen konnten. An der vom Dorf abgewandten Seite des Kamms hatten sie Gräser und Zweige gesammelt und das Material in die Falten ihrer Kleidung gestopft - eine behelfsmäßige Tarnung, um im Zwielicht des Morgengrauens unerkannt zu bleiben. Sie hatten ihre Position eingenommen, das Gewehr und das Beobachtungsfernrohr aufgestellt und sich im Schutz der schmalen Höhlung auf die Lauer gelegt.
Die Zielperson sollte sich in einer jener Hütten unten bei der Straße befinden, die von Afghanistan nach Pakistan verlief.
Gegen 5 Uhr morgens hatte Martinez über Funk gemeldet, dass das Hunter-Killer-Team in Position gegangen war und das Ziel jeden Augenblick erwartete. Swanson hatte noch einige Koordinaten durchgegeben, woraufhin eine routinemäßige Bestätigung erfolgt war. Da die Scharfschützen beim letzten Funkkontakt keine anders lautenden Instruktionen erhalten hatten, würde die Mission weiterlaufen. Daher hatten sie das Funkgerät abgestellt, um die Batterie zu schonen. Auch das Satellitentelefon wurde ausgeschaltet.
Sie hätten es vorgezogen, die ganze Operation in der Nacht durchzuführen, um besser fliehen zu können, aber im Kampfeinsatz war die Welt nun mal nicht perfekt. Die Gelegenheit, unbemerkt zu entkommen, würde sich ihnen nur für einen kurzen Moment bieten. Sie musstenjetzt handeln.
Mit Laserstrahlen tasteten sie jede Hütte ab und gingen sämtliche Schussvarianten durch: die Tür der Zielhütte, das einzige Fenster und den alten Pick-up, der vor der Behausung abgestellt war. Auf der Ladefläche lag allerlei Gerümpel, das wohl den Anschein erwecken sollte, es handele sich um ein Fahrzeug, das mit wahllos zusammengesuchtem Kram zum nächsten Basar fahren würde.
Kyle Swanson suchte die Gegend gewissenhaft mit dem Nachtsichtgerät ab, ehe er sich die Hütten und den Pick-up genauer vornahm. Die Objekte kamen stark vergrößert in sein Blickfeld und schienen zum Greifen nahe. Er inspizierte den Wachposten, der ziellos auf und ab schlenderte. Keine Gefahr.
Plötzlich war ein Licht im Fenster auszumachen, das gelbliche Aufflackern einer Latern