Um Louis nicht noch mal treffen zu müssen, lief ich möglichst weit weg vom Spielrasen der Jungs. Ich kann stundenlang durch die Stadt oder durch die Landschaft laufen. Immer habe ich meine digitale Spiegelreflex dabei und ein paar Objektive samt gutem Zoom, die ich von meinem Vater vor einem Jahr zum Geburtstag bekommen habe. Wenn ich Profi-Fotos für Instagram und Pinterest schießen will, reicht das iPhone nicht.
Überall in der Stadt gibt,s Bilder und Geschichten. Du musst nur gucken!
Plötzlich landete ich im Biergarten am Chinesischen Turm. Am Rand saß ein älterer Mann im Tirolerhut mit einem Foxterrier. ‘Du wartest hier’, sagte er zum Hund. ‘Ich hole mir noch ein Halbes.’ Er ging zur Theke.
In seinem alten Glas war noch etwas Bier. Der kleine Hund sah sich vorsichtig um: War die Luft rein? Er hüpfte auf den Tisch und steckte die lange Schnauze in das Halbliter-Bierglas. Ganz tief, bis seine Nase das Bier auf dem Boden berührte. Nur war das Glas so eng, dass er das Maul nicht aufmachen konnte, um das Bier aufzulecken. Ich lachte über den komischen Hund wie eine Wahnsinnige, schaffte es aber zum Glück, ein paar Fotos zu schießen. Die lustigsten des Jahres. Sollte ich den Hund aufnehmen? Das Video würde auf YouTube sicher viral werden. Zu spät!
Bei seinem Kampf gegen das enge Glas schielte der Hund ständig zur Theke. Plötzlich tauchte sein Herrchen mit einem neuen Bier in der Hand auf. Schnell zog der Hund seine Schnauze heraus, hockte sich auf die Bank und schaute so unschuldig drein, dass ich wieder lachen musste.
Erst zehn nach drei tauchte ich am Fußballplatz wieder auf. Die Jungs kickten schon. Die Tore hatten sie aus Skistöcken aufgebaut. Unser Tor füllte Pummel aus. Und das wörtlich. Pummel wiegt 120 Kilo. Bei ihm hatte der Ball keine Chance. Wo die anderen Torwärter erst hinspringen mussten, stand Pummel bereits. Er musste keine Parade schmeißen, er war überall.
Die Mädels hatten sich am Spielfeldrand hübsch in Szene gesetzt. Noemi lag auf dem Bauch auf einer rosa Decke. In einem roten Badeanzug, der wunderbar zu ihrem rabenschwarzen Haar passte.
Auf Noemis Po hatte Laura den Kopf gelegt und guckte gen Himmel, statt dem Spiel zu folgen. So viel Nähe war bei Laura nicht üblich. Normalerweise hielt sie Distanz. Ihre meist weißen Klamotten machten sie noch kühler. Heute war sie sommerlich leicht bekleidet: Ein weißes kurzärmeliges Hemd, eine weiße leichte Hose.
Iva hockte links von ihnen auf einem Badetuch, als Kontrast zu Laura immer schwarz bekleidet – auch im Sommer. Schwarze Shorts und ein schwarzes T-Shirt. Barfuß.
Meine beste Freundin Emma dehnte sich rechts von Laura und Noemi. Emma macht immer Stretching. Auch wenn sie mit dir redet. Gerade hockte sie in einer Rumpfbeuge, ihre Hände umfassten die Fersen, das Kinn zwischen den Beinen. Nur ihr kurzes blondes Haar guckte heraus. Ich bin auch sportlich, aber das schaffe ich nie. Emma steckte in einer grauen Jogginghose und in einem grauen sportlichen Oberteil. Ein schönes Gruppenbild.
Hinter einem Baum versteckt knipste ich meine Freundinnen, bevor sie mich sehen konnten. Dreimal berührte ich den Touchscreen an meinem iPhone – TIPP, TIPP, TIPP – und schon war das Bild bei Snapchat. Nicht für lange. Bald würde sich das Foto selbst löschen.
Auch beim Stretchen sichtet Emma die Apps in ihrem Smartphone. Das Bild bei Snapchat entdeckte sie sofort. ‘Hä?’, rief sie, sprang auf, drehte sich um und entdeckte mich. ‘Lia, du Bitch! Na warte!’ Ich ließ mein Fahrrad am Baum stehen und lief vor Emma davon. Um das Spielfeld der Jungs herum.
Ich bin schneller als meine beste Freundin. Vielleicht, weil ich etwas längere Beine als sie habe. Emma verkürzte den Lauf