1. KAPITEL
Lieb gewonnene Routinen zu durchbrechen ist eine echte Herausforderung – das gilt für die Küche, im Bett oder auch in anderen Bereichen des Lebens. Versuchen Sie es doch einfach mal mit ein bisschen mehr Würze.
Aus dem Vorwort des Buches Verführung in sechs Gängen von Miriam Scott, Köchin
Ich erinnere mich noch genau an jenen Moment in der Junior Highschool. Ich stand beim Hauswirtschaftskursus in der Schulküche, und plötzlich war mir klar: Hey, dafür hast du ein Händchen. Seit damals ist die Küche mein Zufluchtsort. Unzählige Familientreffen habe ich nur überstanden, weil ich in unserer Küche ungestört vor mich hin brutzeln konnte, während sich die lärmende Verwandtschaft in einem anderen Teil des Hauses gegenseitig in den Wahnsinn trieb. Später gab es Abende in der Restaurantküche, an denen ich am liebsten vom Kühlraum zum Gebäckregalgetanzt wäre und dabei gerufen hätte: „Mein Heiligtum! Mein Heiligtum!“ Mit diesem Geständnis möchte ich natürlich keinem meiner Kollegen zu nahe treten.
An diesem Abend nutzte ich die Ruhe nach dem Gästeansturm für eine ganz persönliche Siegesfeier in unserer Hochglanzküche. Es war uns gelungen, einen als schwierig bekannten Restaurantkritiker aus Charleston von unseren Qualitäten zu überzeugen, und die gesamte Belegschaft war losgezogen, um dieses Ereignis gebührend mit Cocktails zu begießen. Ich hatte Arbeit vorgeschützt, ein neues Rezept, das ich unbedingt ausprobieren musste. Natürlich nahm mir das keiner ab. Ich wurde freundschaftlich geknufft und musste anzügliches Blinzeln über mich ergehen lassen. Offenbar waren alle davon überzeugt, dass dies nur eine Ausrede von mir war, damit ich mit Trevor allein feiern konnte. Da lagen sie jedoch falsch. Ich gehörte bestimmt nicht zu diesen Köchinnen, die sich für etwas ganz Besonderes hielten und ihren Kollegen mit ihrer Selbstbeweihräucherung ständig auf die Nerven gingen. Ich war durchaus in der Lage, diesen Erfolg auch allein für mich zu genießen.
Sehr lange hielt das Alleinsein jedoch nicht an. „Miriam?“
Überrascht sah ich auf. Ich hatte gerade ein Pfännchen mit Ingwer-Konsommee zusammengerührt und erhitzte es langsam auf dem Herd. Trevor Baines stand in der Tür. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass er noch gut eine Stunde mit der Abrechnung beschäftigt sein würde. Als er ins Licht der Küche trat, musste ich wieder einmal feststellen, wie makellos er aussah in dem dunklen Hemd und den schwarzen Flanellhosen. Der Eigentümer des „Spicy Seas“, Trevor, war eigentlich mein Chef, aber auch mein Lover. Sogar das Wort Verlobung hatte er schon ein- oder zweimal in den Mund genommen, aber wir waren zu sehr mit unseren Restaurantplänen beschäftigt, um uns Gedanken über eine Hochzeit machen zu können.
Ich war mir allerdings sicher, dass dies nicht der Grund für sein überraschendes Auftauchen war.
„Wir müssen reden“, erklärte er. Obwohl wir heute Abend einen grandiosen Erfolg verbucht hatten, ließ sein mitleidiger Gesichtsausdruck nichts Gutes erahnen.
Er hatte die bedauernswerte Miene eines Riesenbabys aufgesetzt, was mich insgeheim verlockte, sein Gesicht mal kurz mit einem Bratenwender zu bearbeiten. Um Missverständnissen vorzubeugen: Trevor war ein großartiger Typ, aber ab und zu wirkte er unfreiwillig herablassend, vor allem, wenn er schlechte Nachrichten zu verkünden hatte. Als ob er mich besonders feinfühlig behandeln müsste … Eigentlich sollte er am besten wissen, wie gelassen und zuverlässig ich bin.
Abgesehen natürlich von meiner Neigung zu ungewöhnlichen Kochkreationen und periodisch auftretenden Gewaltfantasien, in denen Bratenwender eine nicht unbedeutende Rolle spielten. Aber eigentlich war ich es, die sich ohne viel Aufhebens um die üblichen Konflikte hinter den Restaurantkulissen kümmerte. Trevor hatte mit einem Zuschuss seiner wohlhabenden Familie dafür gesorgt, dass wir das Restaurant kaufen konnten. Außerdem hatte er sich als unschlagbar darin erwiesen, Lieferanten, zukünftige Kunden und die Mitarbeiter von Gourmet-Zeitschriften um den Finger zu wickeln. Seine Fähigkeit, mit Menschen umzugehen, und meine großartigen Rezepte hatten das „Spicy Seas“ zu ei