Kapitel 1
„Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ - Friedrich Wilhelm Nietzsche
Stille, Dunkelheit.
Lachen, Musik, Lichter, Schreie, Kreischen, Krachen.
Stille, Dunkelheit.
Er schmeckte Metall im Mund, spürte warme pulsierende Ströme einer Flüssigkeit im Auge. Etwas drückte an seine Schläfe und verursachte einen pochenden Schmerz. Er sah schnelle, abwechselnde Bilder, die im Gehirn aufflackerten. Eine Straße, Autos, verschiedene lachende Gesichter, dann plötzlich ein Abhang. Ein lautes Krachen.
Stille, Dunkelheit.
Peter öffnete langsam das linke Auge. Er konnte kaum etwas sehen. Seine Umgebung war überall rot verschwommen. Dazwischen sah er einige helle Stellen. Der Rest war in tiefe Dunkelheit gehüllt. Es war ganz ruhig. Wo war er? Was war mit ihm passiert? Er wusste es nicht mehr.
Ein stechender Schmerz im linken Bein durchfuhr ihn plötzlich. Er wurde immer stärker und war kaum noch auszuhalten. Peter versuchte das Bein zu bewegen, damit die Schmerzen aufhören. Unmöglich. Das Bein ließ sich nicht bewegen. Er versuchte, es anzuziehen, aber der Schmerz nahm zu. Peter stöhnte auf und erschrak. Für eine gefühlte Ewigkeit war sein Stöhnen das erste Geräusch, das er wahrnahm. Wobei es eher ein Gurgeln war, denn angesammelte Flüssigkeit lief dabei die Kehle hinunter. Peter stöhnte noch einmal, schon etwas klarer, und versuchte, das Bein zu bewegen. 'Nein, lass es', dachte er angesichts der wieder zunehmenden Schmerzen. Stattdessen versuchte er vorsichtig, das rechte Auge zu öffnen, das jedoch leicht geschwollen war. Durch den Schlitz nahm er zusammen mit dem klarer werdenden linken Auge endlich ein ganzes Bild wahr. Er erkannte Umrisse eines Innenraums. Armaturen, ein Lenkrad und eine zerborstene Scheibe vor ihm. Sein Oberkörper war mit Scherben übersät. Einige kleine Lichter blinkten oder leuchteten vor ihm. Sonst Dunkelheit. Und Stille.
Peter schloss noch einmal die Augen und versuchte sich zu erinnern. Doch auch jetzt sah er nur eine Abfolge schneller, kurzer Szenen, die sich aneinander reihten. Partys, Cocktails, viele Menschen. Dann hörte er kurze Fetzen Musik. Plötzlich erkannte er in den Gesichtern einige seiner Kollegen aus dem Radiosender, bei dem er arbeitete. Er sah, wie er mit den anderen zu den Autos ging. Einer rief: „Also los. Dann fahren wir noch ins 'Sound'. Auf einen kleinen Absacker.“ Die Autos füllten sich und Peter setzte sich an das Steuer seines Wagens. Er fühlte sich gut, aufgedreht und glücklich, wie er sich lange nicht mehr gefühlt hatte. Er blickte neben sich. Da saß Marlen und lächelte.
Marlen, durchfuhr es ihn plötzlich! Peter öffnete die Augen und versuchte, den Kopf nach rechts zu drehen, was ihm unter Schmerzen gelang. Der Platz neben ihm war leer. Wo war sie? Ausgestiegen? Dann müsste er sie doch noch hören können. Stille.
Peter zerrte an seinem linken Bein. Es war zwischen der Türverkleidung und dem Blech des Kotflügels eingeklemmt. Das Kupplungspedal hatte sich fest gegen den linken Fuß gedrückt. In der fahlen Beleuchtung des Innenraums konnte er mit seinem linken Auge erkennen, dass das Bein leicht verdreht war. Es tat höllisch weh, aber er musste es irgendwie aus diesem Schraubstock herausziehen. Er drehte es etwas nach links, dann wieder nach rechts, versuchte es zu lockern. Langsam spürte er kleine Spielräume, die immer größer wurden. Das Bein bewegte sich. Jetzt zog er es ganz vorsichtig nach oben. Er spürte den Widerstand an der Stelle, wo es verdreht war. Es war die Türablage, die es gegen da