1. KAPITEL
„Das wird fantastisch, Nick. Die ganze Stadt wird darüber sprechen.“
Erica Gibson blieb vor dem Büro des Geschäftsführers des Radiosenders KROK stehen. Sie hielt einen Stapel mit Demo-CDs, Pressematerial und Wettbewerbseinsendungen aus der heutigen Post in den Armen. Erst seit einem halben Jahr arbeitete sie als Praktikantin für den Sender, doch sie wusste bereits, dass ein Satz wie dieser aus dem Mund des Geschäftsführers von KROK Gefahr bedeutete. Carl Husack schmiedete ständig neue Pläne, KROK – „es heißt ‚Key Rock‘“ hatte er ihr gleich an ihrem ersten Arbeitstag eingehämmert – noch bekannter zu machen. Wer sich Carl in so einer Situation näherte, konnte sich schnell im Hühnchen-Kostüm vor dem Footballstadion wieder finden, um Flyer des Senders zu verteilen. Ein paar Praktikantinnen hatten auch schon im hautfarbenen Bikini Ski laufen müssen, wobei sie an bestimmten Körperstellen Aufkleber des Senders getragen hatten.
„Erklär mir das noch einmal genau.“ Nick Cassidy, der als „Naughty Nick“ die Morgen-Show moderierte, lümmelte sich auf dem Ledersofa vor Carls Schreibtisch.
Erica konnte von ihm nur die mit Silber beschlagenen Spitzen seiner schwarzen Krokodillederstiefel sehen.
„Eine Sendung vom Bett aus“, erklärte Carl. „Du moderierst drei Tage und drei Stunden lang vom Doppelbett aus. Und dieses Bett steht im Verkaufsraum von ‚Mattress Max’s Furniture Gallery‘.“
Erica verzog das Gesicht. Mattress Max war der beste Werbekunde des Senders. Seine Betten verkaufte er so aufdringlich wie ein Gebrauchtwagenhändler. „Matratzenpreise von Mattress Max sind unschlagbar!“, schrie er in den Spots, die KROK zwanzig Mal am Tag ausstrahlte.
„Vom Bett aus.“ Wenn er nicht gerade auf Sendung war, klang Nicks tiefe sinnliche Stimme eher krächzend, als wäre er erkältet. „Was ist denn so spannend daran, wenn ich in einem Bett sitze und CDs abspiele?“
„Du spielst nicht einfach nur CDs ab. Wir verbinden es mit einer Spendenaktion. Die Leute sollen vorbeikommen und Geld für das neue Obdachlosenheim der Heilsarmee in Aurora spenden. Verstehst du? Du moderierst vom Bett aus und sammelst für mehr Betten für die Obdachlosen.“ Je länger Carl redete, desto mehr klang er selbst wie Mattress Max.
„Ich weiß nicht, Carl. Es klingt tödlich langweilig.“
„Du wärst ja nicht allein im Bett. Wir legen dir noch eine Moderatorin dazu. Die Hörer werden es lieben.“
Nick lehnte sich vor, und jetzt konnte Erica auch sein pechschwarzes Haar sehen, das ihm in die Stirn fiel. Seine Nase ragte wie der Bug eines Schiffs vor. Nick besaß ein Gesicht, „das man nur im Radio lieben kann“, wie Carl es ausdrückte. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, jede Frau anzumachen, die ihm über den Weg lief. Seine gesamte Sendung basierte auf dem Konzept, dass er der größte Frauenheld von ganz Denver war. Seine Show lag bei den 24- bis 54-Jährigen ganz vorn.
„Klingt schon interessanter“, stellte Nick fest. „Und wer soll die Glückliche sein?“
„Das weiß ich noch nicht. Eine große Auswahl haben wir ja nicht gerade. Da wäre Audra Benson von der Late-Night-Show.“
„Die ist im siebten Monat schwanger!“
Bei Nicks entsetztem Tonfall hätte Erica fast losgelacht.
„Und was ist mit Bombshell Bonnie? Die ist doch heiß.“
Die weißblondierte „Bombshell“ Bonnie Remington war beim Sender für Wetter und Verkehr zuständig. Ihr größter Ruhm bestand darin, schon einmal in einer Playboy-Ausgabe über die aufregendsten Frauen im Radio abgelichtet worden zu sein. Außerdem hatte sie eine kurze heftige Affäre mit Adam Hawkins hinter sich, der als „The Hawk“ die Show am Nachmittag moderierte, wenn alle Berufspendler wieder auf dem Heimweg im Auto Radio hörten. Kurz bevor Erica bei KROK angefangen hatte, war Bonnies und Adams Affäre praktisch im Beisein aller Zuhörer in die Brüche gegangen, und seitdem konnte man mit der eisigen Kälte, die zwischen den beiden herrschte, die Klimaanlage des Senders ersetzen.
„Bonnie? Das klappt nicht“, widersprach Nick.
„Wieso nicht? Sie jammert doch ständig nach mehr Sendezeit und hat schon bewiesen, dass sie exhibitionistisch veranlagt ist.“
„Diese Frau macht jeden fertig. Du hast doch gehört, wie sie Hawk während der Sendung zur Schnecke gemacht hat.“
„Solche Probleme wird es nicht wieder geben. Du kennst ja die Regel.“
„Wenn du glaubst, mit einem Verbot von Beziehungen zwischen Moderatoren könntest du alle Probleme lösen, kennst du Bonnie schlecht. Ich habe mal mit ihr geflirtet, und sie hat mich fertig gemacht, noch bevor die Werbepause zu Ende war. Mit der will ich nichts mehr zu tun haben.“
„Wen nehmen wir denn dann? Die meisten Frauen hier im Sender würden doch zu Stein erstarren, wenn man sie vor ein Mikrofon setzt.“
„Was ist denn mit der Praktikantin? Erline oder wie sie heißt.“
„Erica? Die bei ihrem ersten und einzigen Einsatz vor dem Mikrofo