VII
Mrs Pontellier war keine Frau, die zu Vertraulichkeiten neigte; diese Eigenschaft war bisher ihrer Natur zuwidergelaufen. Bereits als Kind hatte sie ihr eigenes kleines Leben ganz in ihrem Inneren geführt. Sehr früh schon hatte sie instinktiv begriffen, dass es zwei Leben gibt – jenes äußere, das sich anpasst, und das innere, das alles hinterfragt.
In jenem Sommer auf Grand Isle begann sie ihre Zurückhaltung, die sie stets wie ein Mantel umhüllt hatte, ein wenig abzulegen. Es mag – es muss – Einflüsse gegeben haben, verborgene wie offenkundige, von denen jeder einzelne auf seine Weise zu dieser Veränderung beitrug. Am deutlichsten war der Einfluss von Adèle Ratignolle zu erkennen. Zunächst hatte die außerordentliche natürliche Anmut der Kreolin Edna angezogen, denn sie war sehr empfänglich für Schönheit, dann die Offenheit dieser Frau in jeder Hinsicht, die es jedermann gestattete, in ihr wie in einem aufgeschlagenen Buch zu lesen; die Offenheit, die zu Ednas eigener gewohnheitsmäßiger Zurückhaltung in so krassem Gegensatz stand – sie mochte ein Bindeglied dargestellt haben. Wer kann schon sagen, welche Metalle die Götter verwenden, um das zarte Band zu schmieden, das wir Sympathie nennen, das wir aber genauso gut Liebe nennen könnten.
Die beiden Frauen gingen eines Morgens zusammen zum Strand hinunter, Arm in Arm unter dem riesigen weißen Sonnenschirm. Edna hatte Madame Ratignolle zwar dazu überreden können, die Kinder zurückzulassen, doch es war ihr nicht gelungen, sie zum Verzicht auf ihre Näharbeit zu bewegen, denn Adèle hatte gebeten, die winzige Rolle in ihrer Kleidertasche mitnehmen zu dürfen. Auf irgendeine unerklärliche Weise waren sie Robert entkommen.
Der Weg zum Strand war nicht ganz unbeschwerlich: Er führte über einen langen, sandigen Pfad, von dem das auf beiden Seiten wild wuchernde Gestrüpp immer wieder und unvorhergesehenermaßen Besitz zu ergreifen suchte. Rechter wie linker Hand erstreckten sich weite Flächen mit gelber Kamille. An diese schlossen sich unzählige Gemüsegärten an, die häufig durch kleine Orangen- und Zitronenpflanzungen voneinander getrennt waren. Die dunkelgrünen Baumgruppen glänzten von fern in der Sonne.
Beide Frauen waren von stattlicher Größe, wobei Madame Ratignolle die fraulichere, matronenhaftere Figur besaß. Der Reiz von Edna Pontelliers Erscheinung nahm einen eher unmerklich gefangen. Die Konturen ihres Körpers waren länglich, wohlproportioniert und ebenmäßig; es war ein Körper, der zuweilen in wunderschöne Posen verfiel, ein Körper, der nichts von einer herausgeputzten, stereotypen Modepuppe an sich hatte. Ein zufälliger, nur flüchtig hinsehender Passant würde die Gestalt vielleicht keines zweiten Blickes würdigen. Doch mit mehr Gespür und Wahrnehmungsvermögen hätte er die edle Schönheit und anmutige Schlichtheit von Haltung und Bewegungen erkannt, die Edna Pontellier aus der Menge heraushoben.
An jenem Morgen trug sie ein leichtes Musselinkleid – weiß, mit einer wellenförmigen braunen Borte, die es der Länge nach durchzog, dazu einen weißen Leinenkragen und den großen Strohhut, den sie vom Haken vor der Tür genommen hatte. Der Hut saß einfach irgendwie auf ihrem gelbbraunen Haar, das sich ein wenig wellte, schwer war und eng am Kopf anlag.
Madame Ratignolle, um ihren Teint besorgter, hatte sich einen Gazeschleier um den Kopf gebunden und trug Rehlederhandschuhe mit Stulpen, um ihre Handgelenke zu schützen. Sie war in reines Weiß gekleidet, über und über bedeckt mit flauschigen Rüschen, was gut zu ihr passte. Die bauschigen Gewänder und fla