1. Kapitel – Anna
Chicago, Illinois
1897
Ich liege noch im Bett und genieße den herrlichen Zustand zwischen Träumen und Wachen, als die Nachricht eintrifft. Unser Hausmädchen hat sie auf einem Tablett in mein Schlafzimmer gebracht, zusammen mit Tee und Toast und einem weich gekochten Ei. Als ich sehe, von wem der Brief stammt, bin ich auf einen Schlag hellwach. Die nächsten Augenblicke werden mein Leben verändern. Ich reiße den Umschlag auf und ziehe die Karte heraus.
Von: Detektei Pinkerton
Agenten R. J. Albertson und M. Mitchell
An: Miss Anna Nicholson
Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir Details über Ihre Mutter, Christina de Jonge, in Erfahrung gebracht haben, die Sie möglicherweise interessieren. Bitte lassen Sie uns wissen, zu welchem Zeitpunkt wir Ihnen unsere Ergebnisse erläutern können.
Ich schlage die Bettdecke zurück und springe so hastig aus dem Bett, dass das Mädchen überrascht einen Schritt zurückweicht. »Wartet der Kurier, der diese Nachricht gebracht hat, noch auf eine Antwort von mir?«, frage ich. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie das Mädchen heißt. Es ist neu und sehr scheu. Mutter verlangt viel von unseren Dienstboten und nur wenige halten es lange bei uns aus. Dieses arme Ding habe ich auch schon in Tränen aufgelöst gesehen.
»I…ich weiß nicht genau, Miss Anna. Soll ich nachsehen gehen?« Sie sieht sich um, als suche sie einen Platz, an dem sie das Tablett abstellen könnte. Die Tasse klirrt auf der Untertasse.
»Nein, bitte warte einen Moment.« Ich krame in meinem Schreibtisch nach Briefpapier und einem Stift, um eine Antwort zu schreiben. Ich bin mir sicher, dass der heutige Tag bereits gut mit Terminen gefüllt ist, aber ich bin so aufgeregt, dass ich mich an keinen einzigen davon erinnern kann. Die Detektive von Pinkerton haben einen guten Ruf und sind Experten darin, Geheimnisse aus der Vergangenheit auszugraben, deshalb habe ich schon ungeduldig auf einen Bericht von ihnen gewartet. Rasch kritzele ich eine Nachricht an die Agenten Albertson und Mitchell aufs Papier und bitte sie, heute um drei Uhr herzukommen. Dann falte ich den Briefbogen, schiebe ihn in einen Umschlag und versiegele ihn. »Bring das sofort dem Kurier«, sage ich zu dem Mädchen. Dann entreiße ich ihm das Tablett und drücke ihm stattd