PROLOG
1879 – Fannin County, Texas
»Verliert nicht den Mut, Kinder. Wir haben noch einige Familien in Bonham. Ich bin mir sicher, wir finden für alle von euch ein gutes Zuhause.«
Die vierjährige Evangeline Pearson lächelte die Dame von der Kinder-Hilfsgesellschaft an, als diese den Gang des Zugabteils entlangschritt und sich dabei immer wieder an den leeren Sitzen festhielt, damit sie während der Fahrt nicht das Gleichgewicht verlor. Sitze, die zu Beginn ihrer Fahrt in New York noch voller Kinder gewesen waren.
Miss Woodson gab Evie immer ein gutes Gefühl. Auch nach sieben … acht … Evie zog ihre Nase kraus und nahm die Finger zu Hilfe, als sie versuchte nachzurechnen. Wie viele Zwischenstopps hatten sie gemacht? Als ihr die Finger ausgingen, gab sie auf, atmete lautstark aus und ließ ihren Kopf gegen die hölzerne Sitzbank sinken. Es war egal. Niemand hatte sie bisher gewollt. Doch Miss Woodson hatte versprochen, ein Zuhause für sie und Hamilton zu finden und Evie glaubte ihr. Sie war so ein netter Mensch. Ganz im Gegensatz zu der echsenartigen Frau, die steif und reglos vorne im Zugabteil saß.
Als hätte Mrs Dougal Evies Gedanken gehört, wandte sie sich um und warf einen finsteren Blick nach hinten. Die hervortretenden Augen und die zusammengepressten Lippen ließen Evie erschauern. Sie barg ihr Gesicht an der Schulter ihres Bruders.
»Hab keine Angst vor ihr«, flüsterte Hamilton und legte den Arm um ihre Schultern. Mit neun Jahren war Hamilton viel größer und stärker als Evie und er fürchtete sich vor nichts. Selbst als Mama und Papa gestorben waren, war er stark geblieben. Oder als das Waisenhaus beschlossen hatte, dass die Geschwister den Waisenzug nach Westen nehmen sollten. Niemals hatte er geweint oder Angst gehabt. Er hatte sie nur fest umarmt und ihr versprochen, dass alles gut werden würde. Er war der mutigste Junge, den es jemals gegeben hatte.
»Sie mag mich nicht.« Evie wagte einen kurzen Blick in Richtung der Echsenfrau, die sie aber immer noch finster anstarrte, und versteckte sich weiter hinter ihrem Bruder. »Es liegt an meinen Augen, stimmt’s?«
Hamilton schob seine Hände unter ihre Achseln und zog sie auf seinen Schoß. Er hob ihr Kinn und blickte sie direkt an. »Mit deinen Augen ist alles in Ordnung, Evie. Sie sind wunderschön. Ein Gottesgeschenk. Weißt du noch, was Mama immer gesagt hat?«
Evies Kinn zitterte. An Mama zu denken, machte s