: Thomas Weißenborn
: Die Story Wie Gott mit uns Geschichte schreiben möchte
: Francke-Buch
: 9783963629464
: 1
: CHF 11.50
:
: Christentum
: German
: 256
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Glaubenslehre: Dogmatik und Ethik für die Lebenspraxis »Beim Christentum geht es nicht in erster Linie um eine bestimmte Kultur, besondere Musikstile, Veranstaltungen, Einrichtungen und Moralvorstellungen, sondern darum, dass Menschen Jesus ähnlicher werden. Was immer dem dient, ist gut, was immer dem im Wege steht, muss verändert werden.« Thomas Weißenborn nimmt uns mit auf eine spannende Reise durch die Bibel von der Schöpfung bis zur Offenbarung. Dabei gelingt es ihm, uns in eine Geschichte der Sehnsucht hineinzunehmen, in der wir die Welt neu verstehen und unser Leben neu ausrichten können. Dazu müssen wir uns allerdings der unangenehmen Wahrheit stellen, dass wir uns in einem Aufstand gegen den Schöpfer befinden. Aber es gibt Hoffnung: Wir können uns befreien und von Jesus verändern lassen.

Thomas Weißenborn ist Dozent für Systematische Theologie und Neues Testament am Marburger Bibelseminar. Mit seiner Frau und seinen vier Kindern lebt er in Marburg.

Erkenntnis.

Eine alte Legende berichtet davon, wie ein Missionar zu einem Germanenstamm kam und dort das Evangelium predigte. Eines der Sippenoberhäupter rief daraufhin die Ältesten zu einem abendlichen Treffen in seiner Hütte zusammen, um zu beraten, ob die Großfamilie nun den fremden Glauben annehmen solle oder nicht. In der Sitzung ging es hoch her: Die einen verteidigten die alten Traditionen und Götter, die der Sippe bisher immerhin ein gutes Leben ermöglicht hätten. Andere fanden die von dem Missionar vorgetragenen Argumente recht überzeugend und wollten dem neuen Gott gern eine Chance geben. Eine dritte Gruppe schließlich verhielt sich abwartend und hätte den christlichen Prediger lieber noch ein weiteres Mal eingeladen, um sich genauer informieren zu können.

Mitten in diese Diskussion hinein platzte ein Vogel. Er war durch eine der Fensterhöhlen in den Raum hineingeflogen, flatterte ein wenig um das Feuer herum und verschwand dann durch eine andere Fensterhöhle wieder in der Dunkelheit der Nacht. In das Schweigen, das durch die unerwartete Störung entstanden war, soll einer der Ältesten hineingesprochen haben: „Gleicht unser Leben nicht diesem Vogel? Wir kommen aus der Finsternis, kreisen für eine kurze Zeit um das Licht und die Wärme des Feuers und verschwinden dann wieder in der Finsternis. Wenn es einen Gott gibt, der Licht in die Dunkelheit da draußen bringt, dann will ich ihn gerne annehmen.“ Daraufhin soll sich die gesamte Sippe zum Christentum bekehrt haben.

Mich fasziniert diese Geschichte aus verschiedenen Gründen. Legende oder nicht, die Situation ist mir sehr vertraut: Wo unser Leben herkommt, wo unsere Persönlichkeit, unser Ich, unsere Identität „gewesen“ sind, bevor wir geboren wurden, wissen wir nicht. Aber auch von der anderen Seite haben wir keine Ahnung. Es wäre schön, wenn die Toten irgendwo „im Himmel“ säßen, uns zuschauten und dort auf uns warteten, wie wir es Kindern gern erzählen, aber ob das tatsächlich so ist, wissen wir eigentlich erst dann wirklich, wenn es zu spät ist. Denn vielleicht ist das Leben ja nur Materie, ist das, was wir „Geist“ und „Charakter“ nennen, nur eine Reihe von Gehirnfunktionen, die „Seele“ ein Konstrukt und so etwas wie Liebe oder Zuneigung nur die berühmte „Chemie“.

Wenn das so wäre, wäre mit dem Tod tatsächlich alles aus und mit dem Verwesen der sterblichen Überreste jede Existenz definitiv ausgelöscht. Auch das fällt uns schwer zu glauben – und sicher nicht nur, weil es eine „narzisstische Kränkung“ für unser Ego wäre, dem dieses Leben ohnehin schon zu kurz vorkommt. Nein, es fällt uns auch deshalb schwer, weil dann so vieles als vergeblich erscheinen würde, als sinnlos und beliebig, denn dann wäre in einer kaum vorstellbaren Radikalität tatsächlich alles zufällig und vergänglich. Wenn der Mensch nur Materie wäre, unterschiede er sich schließlich kaum von Tieren, Pflanzen und leblosem Material.

Natürlich könnte es aber auch ganz anders sein: Unser Schicksal in einem zukünftigen Leben könnte d