1. KAPITEL
„Es wird ja immer schlimmer“, sagte Isabella Casali laut vor sich hin. Ihre Worte wurden jedoch von dem plötzlich aufkommenden Sturm verweht.
Was hatte sie sich da für eine Nacht ausgesucht, um auf dem Grund und Boden des Prinzen herumzulaufen! Als sie von zu Hause weggefahren war, hatte der Mond noch sein fahles Licht verbreitet, auch wenn vorbeiziehende Wolken ihn ab und zu verdunkelt hatten. Jetzt war der Himmel schwarz, und es war stockfinster.
„Wahrscheinlich gibt es ein Gewitter. Die Pechsträhne der letzten Zeit scheint sich fortzusetzen“, flüsterte sie, während ihr der Wind das dunkle gelockte Haar ins Gesicht blies.
Doch nachdem sie endlich all ihren Mut zusammengenommen und sich überwunden hatte, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, wollte sie jetzt nicht aufgeben und die Aktion abbrechen.
Über den Palazzo und das Anwesen des Prinzen erzählte man sich Schauergeschichten, die sie bisher nicht geglaubt hatte. So sollte es angeblich hier von allen möglichen übernatürlichen Wesen wimmeln. Doch jetzt bekam auch sie eine Gänsehaut wie alle Leute vor ihr. Bei jedem Windstoß, jedem knackenden Zweig und beim Knarren der Bäume zuckte sie zusammen und sah sich ängstlich um.
„Pass auf, dass der Prinz dich nicht erwischt“, hatte Susa, die etwas altmodische Küchenchefin ihres Restaurants, sie gewarnt.
Isabella hatte nachsichtig gelächelt. Obwohl Susa ihr oft kluge Ratschläge erteilte, waren ihre Befürchtungen dieses Mal bestimmt unbegründet, dessen war Isabella sich sicher gewesen.
„Es wird behauptet, er durchstreife sein riesiges Anwesen nachts auf der Suche nach einer jungen Frau, die in den Wäldern umherirrt“, hatte Susa hinzugefügt.
„Oh Susa, bitte, das ist doch übertrieben. Dasselbe hat man in den letzten hundert Jahren jedem Prinzen angedichtet, der in diesem alten Schloss gelebt hat. Die Di Rossis haben schon immer sehr zurückgezogen gelebt, wie man sich erzählt. Wenn man sich nicht unter die Leute mischt und sich von allem und allen fernhält, erwirbt man sich ganz automatisch früher oder später einen zweifelhaften Ruf.“ Isabella hatte gespielt unbekümmert gelacht.
Jetzt wünschte sie, sie wäre zu Hause geblieben und hätte es sich mit einem guten Buch gemütlich gemacht.
„Das ganze Gerede entsteht doch nur, weil sie sich so zurückhalten“, hatte sie erklärt. „Ich wette, die Di Rossis sind in Wirklichkeit sehr nette Menschen.“
Susa zog die Augenbrauen hoch, was sie ziemlich überlegen wirken ließ. „Ich bin gespannt, wie nett du ihn findest, wenn er dich in seinen Kerker einsperrt.“
„Susa!“ Isabella war sowieso nicht wohl bei der Sache, und die Skepsis und Schwarzmalerei der älteren Frau machten das Ganze nicht gerade besser. „Außerdem hat mein Vater auch immer das Monta-Rosa-Basilikum gepflückt, das schon so lange unseren Gerichten diesen ganz besonderen Geschmack verleiht. Soweit ich weiß, ist er nie einem Mitglied der königlichen Familie begegnet. Also, ich glaube das ganze Gerede nicht.“
Ihr Vater Luca Casali hatte vor vielen Jahren die geradezu magischen Eigenschaften dieses feinen Gewürzkrauts entdeckt und damit sein einfaches italienisches Lokal in ein weithin berühmtes Feinschmeckerrestaurant verwandelt. Die Gäste kamen von überall her