: Susan Hastings
: Ich, die Königin Historischer Roman um Königin Isabella von Kastilien
: Piper Verlag
: 9783492986281
: 1
: CHF 7.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 672
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein imposantes historisches Roman-Epos um Königin Isabella von Kastilien, die Kolumbus auf seine Reise schickte und sogar die Mauren in die Flucht schlug Kastilien 1464. Das Land droht im Chaos zu versinken. Reisende und Kaufleute werden immer häufiger von Räuberbanden überfallen, während sich Adel und Klerus auf Kosten des hungernden Volkes bereichern. Und König Enrique ist nicht stark genug um die Ordnung wieder herzustellen. Es dauert nicht lange bis seinen Feinden ein Mordanschlag gelingt, was einen Krieg um die Erbfolge nach sich zieht. Es ist seine Schwester Isabella, die sich durchsetzt, und zu einer Legende der spanischen Geschichte wird. Sie ist es, die Spanien an der Seite ihres Mannes zu einer Großmacht verwandelt, indem sie ihren eisernen Willen und Intellekt einsetzt.  

Susan Hastings wurde 1954 in Leipzig geboren. Nach Ausbildung und Studium arbeitete sie langjährig als Diplom-Geologin im Bergbau und als Sachverständige für Geologie, Grundwasser und Ökologie. 1999 entdeckte sie ihre Liebe für das Schreiben, mit Vorliebe das von historischen Romanen.

Segovia


Es war der obligatorische Blick in den Spiegel, den Isabél auch in der größten Eile nie vergaß. Aus dem schlichten Rahmen blickte ihr ein nicht unschönes, jugendliches Gesicht entgegen, mit blauen Augen, heller Haut und einer etwas kessen Stupsnase. Ihre Wangen waren von dem schnellen Ritt gerötet und das hellblonde Haar vom Wind zerzaust. Sie nahm einen Kamm aus Elfenbein von der Konsole und kämmte ihr Haar streng nach hinten. Dann schlang sie ein seidenes Tuch darum.

Sie weilte erst kurze Zeit in Segovia. Eigentlich wusste sie nicht so recht, warum sie und ihr Bruder Alfonso hierher gerufen worden waren. Aber sie mussten dem Befehl des Königs Folge leisten. Der König, das war Isabéls älterer Bruder Enrique aus erster Ehe ihres Vaters, König Juan II. Seit zehn Jahren saß er auf Kastiliens Thron.

Mit schnellen Schritten durcheilte sie die engen Gänge des Alcázar von Segovia, wo der Hof derzeit residierte. Seine hohen Mauern bargen den Staatsschatz Kastiliens. Trutzig und verschlossen, himmelwärts strebend, mit halbrunden Türmchen und Turmzinnen war die Burg ein Bollwerk gegen alle Feinde des Reichs. Im Inneren jedoch zeigte der Alcázar jene Verfallserscheinungen, die das ganze Königreich charakterisierten. Da regierten die Leichtlebigkeit und Leichtfertigkeit, die Intrige und der Verrat.

Isabéls Rücken versteifte sich unwillkürlich, als sie Lachen, Wispern und Kichern aus den dunklen Nischen und hinter den wuchtigen Säulen vernahm. Geflüsterte Worte, Lockrufe der Lust, die Isabél ängstigten. Ungeniert fanden sich die Pärchen in den Winkeln dieser Burg zusammen. Niemand hinderte sie daran, niemand nahm Anstoß. Den Blick starr geradeaus gerichtet, beschleunigte sie ihre Schritte.

Isabél hörte Lachen und Musik aus dem großen Saal, dessen zweiflügelige, reich geschnitzte Holztür jetzt von Dienern geöffnet wurde. Sie trat ein und blieb stehen. Es herrschte ein buntes Durcheinander von Menschen in den unterschiedlichsten Kleidungen. Da gab es Musikanten, Gaukler und Tänzerinnen, Höflinge neben stolzen spanischen Granden[1]. Im Mittelpunkt jedoch stand der König, aber nicht, weil er strahlend und erhaben auf dem Thron glänzte. Es gab keinen Thron. Enrique IV. hockte mit untergeschlagenen Beinen auf einem mit dicken Kissen ausgelegten Podest. Er trug ärmliche, nachlässige Kleidung. Sein rotes Haupthaar und der struppige Bart waren ungepflegt, seine durch eine Fraktur nicht mehr ebenmäßige Nase verlieh ihm ein gewöhnliches Aussehen. Mit seinen unproportional langen Gliedern wirkte er unbeholfen und staksig. Ein Wunder, dass er in dieser unbequemen Stellung über Stunden verharren konnte. Sein ganzes Gehabe erinnerte eher an einen muslimischen Emir als an einen katholischen König.

Seine Günstlinge und die unzähligen Schmarotzer am Hofe, die sich der Freigiebigkeit des Königs nur zu bewusst waren, umringten ihn stehend oder hatten auf Bänken Platz genommen.

Als Enrique seine Schwester entdeckte, flog ein freudiges Lächeln über sein Gesicht und entblößte seine gelblichen Zähne.

»Isabél, mein Sonnenschein! Tritt ein und erfreue dich an der Unterhaltung, die man mir präsentiert. Es tut einem jungen Mädchen nicht gut, allein in seiner Kemenate zu hocken und Trübsal zu blasen. Ich will verhindern, dass du deiner Mutter immer ähnlicher wirst.«

Er brach in schallendes Gelächter aus, und die Höflinge stimmten pflichtbew