: Darius Harwardt
: Verehrter Feind Amerikabilder deutscher Rechtsintellektueller in der Bundesrepublik
: Campus Verlag
: 9783593442303
: 1
: CHF 40.80
:
: Zeitgeschichte (1945 bis 1989)
: German
: 560
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Rechtsintellektuelle Netzwerke versuchten bereits in der frühen Bundesrepublik, das Stigma der NS-Vergangenheit abzulegen und Einfluss zu erlangen. Amerikabilder erwiesen sich hierfür als wirkmächtiges und etabliertes Instrument: Kapitalismus, Individualismus oder Demokratie waren bereits in der Weimarer Republik als Folgen einer erzwungenen »Amerikanisierung« abgelehnt worden. Im Kalten Krieg standen solch stereotype Feindbilder im ideologischen Spannungsfeld mit dem identitätsstiftenden Antikommunismus. Darius Harwardt blickt auf die wichtigsten Personen, Medien und Gruppierungen der »Neuen Rechten« sowie auf deren Weltbilder und Widersprüche - von ihren Anfängen bis zur Gegenwart des Rechtspopulismus.

Darius Harwardt ist Historiker und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Duisburg-Essen.
1. Einleitung »Auch Rechte träumen ihren Amerikanischen Traum«, schrieb der Histori¬ker Volker Weiß im August 2017 in der Zeit und konstatierte einen ideolo¬gischen Wandel des Selbstverständnisses deutscher Rechtsintellektueller. Diese hätten sich - so Weiß - im Hinblick auf Definitionen des Konserva¬tismus immer auch an den USA orientiert, sich entweder entschieden vom amerikanischen Vorbild abgegrenzt, oder sich von einzelnen Ideen jenseits des Atlantiks beeinflussen lassen. Gerade in jüngster Zeit würden rechtsin¬tellektuelle Kreise der Bundesrepublik jedoch »eine Art Amerikanisierung« durchlaufen, die alles andere als frei von Widersprüchen sei. Tatsächlich: Spätestens mit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten schien die deutsche Rechte ihrem Amerikanischen Traum ein Stück näher gekommen zu sein. Etablierte Me¬dien und Politiker in der Bundesrepublik reagierten in großen Teilen mit Fassungs- und Ratlo¬sigkeit auf dieses Ereignis. Nie hatte man für möglich gehalten, dass es einem mit nationalistischer und rassistischer Rhetorik auf¬tretenden Populisten ge¬lingen würde, ins Weiße Haus einzuziehen. Aus ihrer Sicht erschien Trump als Fremdkörper in einem Land, das wie kein anderes den Liberalismus re¬präsentierte. »Oh my god« titelte etwa die Zeit nach der US-Wahl und il¬lustrierte ihre Schlagzeile mit der Freiheitsstatue, die ihr schamvolles Gesicht unter der amerikanischen Flagge zu verstecken sucht. Mit einer noch dras¬tischeren Ikonographie machte der Spiegel einige Monate später auf sich auf¬merksam: Das Titelbild des Magazins zeigte Donald Trump im Stile eines Cartoons, der unter dem Motto »America First« mit einem blutigen Messer die Freiheitsstatue enthauptet. Ganz anders dagegen die Reaktion von Anhängern rechtspopulistischer Parteien in Europa, Publizisten und Aktivisten der sogenannten »Neuen Rechten«, Vordenkern einer neuen »nationalen Identität« Deutschlands - fast alle zeigten sich begeistert von der Präsidentschaft Trumps. So wertete Frauke Petry, bis 2017 Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), die Wahl in den USA als Vorzeichen für Europa, wo eine rechtspopulistische Zeitenwende ebenfalls bevorstehe. Und der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen deutete Trumps Sieg als Rache des Volkes an der Arroganz der Eliten, deren »einziges Ziel lediglich der Machterhalt« sei. Auch die Junge Freiheit, das publizistische »Flaggschiff der Neuen Rechten« interpretierte das Zeitgeschehen ähnlich: Das Volk habe sich gegen die »Auflösung der Staaten in multiethnischen und supranationalen Großstrukturen« gewandt und lasse sich die Wirklichkeit nicht mehr durch linksintellektuelle »arrogante Gouvernanten der Öffentlichen Meinung« diktieren, kommentierte der Chefredakteur Dieter Stein. Für einen kurzen Moment schien sich nahezu die gesamte Rechte in der Bundesrepublik einig darüber zu sein, dass die USA nunmehr als politisches Vorbild verstanden werden müssten und eine Amerikanisierung in diesem Sinne anzustreben sei. Warum dies alles andere als eine Selbstverständlich¬keit ist, ja geradezu als Umkehr historisch etablierter Feindbilder gelesen werden kann, ist eine der Fragestellungen, mit denen sich die vorliegende Arbeit beschäftigt. Denn tatsächlich galt Amerika in vielen rechtsintellektu¬ellen Kreisen seit über einem Jahrhundert als Zerrbild der Moderne, das alle unliebsamen gesellschaftlichen Entwicklungen verkörperte, gegen die man sich in Deutschland energisch zu wehren versuchte. Als demokratische, li¬berale, kapitalistische und multikulturelle Gesellschaft eigneten sich die USA als ideengeschichtliches Symbol, von dem man sich abgrenzen konnte, um heterogene politische Positionen zu einer gemeinsamen kollektiven Identität zu verdichten. Gegen die »Amerikanisierung« zu sein, avancierte damit be¬reits in der Weimarer Republik zu einem Bonmot, auf das sich viele Anhä¬nger des Konservatismus einigen konnten. Dies galt umso mehr, da die USA nach dem Zweiten Weltkrieg auch noch die einflussreichste Sieger¬macht Westeuropas darstellten und den Versuch unternahmen, die Bundes¬deutschen zu demo¬kratisie¬ren. Nicht zuletzt eigneten sich negative Stereo¬type über Amerika auch dazu, Verbindungen zur politischen Linken herzu¬stellen, wo man der Supermacht jenseits des Atlantiks oft gleichermaßen skeptisch gegenüber¬stand. Den »Antiamerikanismus« als ideologisches Bindemittel aller rechtsintel¬lektuellen Strömungen zu stilisieren, griffe jedoch zu kurz. Kenn¬zeichnend ist vielmehr die Ambivalenz, mit der die politische Rechte in Deutschland auf die USA blickte und unterschiedliche Perspektiven dabei immer wieder als die Entdeckung des »wahren Amerikas« darstellte. Die Wi¬dersprüche im Umgang mit Amerika begleiten Rechtsint