Im Exil
(1933–1945)
Wenn die gleiche Sprache etwas anderes bedeutet
Die Schweiz sollte also die neue Heimat werden, denn: „Von hundert Schweizern reden sechzig deutsch. Fühlen sich als Halbgeschwister der Deutschen im Reiche. Deren Geschick verfolgen sie mit stärkstem Anteil ohne für die Methoden des Göring was übrig zu haben. Sie drücken bloß manchmal ein Auge zu … Wieviel Deutschland gerade denen verdankt, die heut auf der Flucht, in Haftlöchern und Folterkammern sind, das wissen die Schweizer.“ Aber Alfred Kerr sah auch „ein Gefühl der Ängstlichkeit. Ihre Blätter können in Deutschland beschlagnahmt werden. Man hängt auch wirtschaftlich etwas von dort ab; nicht zuletzt die Buchverleger. Niemand weiß, was kommt; auf welche Seite man fallen soll …“ (AK, Hausknecht, 34)
Der größte Anreiz, den die Schweiz bot, war die Sprache. Man sprach und verstand dort Deutsch, und das gab Alfred Kerr trotz der „Ängstlichkeit“ die Hoffnung, dort Arbeit zu finden, wieder schreiben zu können, den Lebensunterhalt zu verdienen, der nun nötiger war als je zuvor. Alles Vermögen, alle Sachwerte waren ja in Berlin geblieben bei der Abreise, die sich überstürzter vollzogen hatte als geplant. Julia Kerr hatte den Kindern ein schönes, beschauliches Leben in der Schweiz ausgemalt, mit einem angemieteten Haus und Heimpi, die den Haushalt führte. Aufregend hatte es für Judith geklungen. Später, imRosa Kaninchen, wird Anna es sich ausmalen: ein Haus in den Bergen, Ziegen, Kühe, ländliche Idylle. Aber als das Gerücht ging, dass auch ihre Pässe eingezogen werden sollten, hieß es sofort handeln. Drei Tage nach Michaels Geburtstag, am Samstag, den 4. März, verließ Julia Kerr mit den Kindern Berlin.
Gerade noch rechtzeitig waren sie abgereist, denn bereits am Montag kam die Polizei in ihr Haus, um die Pässe einzufordern, sie trafen jedoch nur auf Heimpi. Sie s