: Sinclair McKay
: Die Nacht, als das Feuer kam Dresden 1945
: Goldmann
: 9783641252694
: 1
: CHF 17.20
:
: 20. Jahrhundert (bis 1945)
: German
: 560
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In der Endphase des Zweiten Weltkrieges, im Februar 1945, bombardierten die Alliierten Dresden: Circa 25.000 Menschen fanden den Tod, die Überlebenden waren zutiefst traumatisiert, das einst prächtige Elbflorenz lag in Schutt und Asche. In »Die Nacht, als das Feuer kam« begibt sich der britische Journalist und Autor Sinclair McKay auf eine ganz besondere Spurensuche. In den Archiven der Stadt entdeckte er tief verborgene persönliche Aufzeichnungen, die es ihm ermöglichen, die Geschehnisse dieser drei verhängnisvollen Tage und Nächte aus der Perspektive der Bewohner der Stadt zu erzählen: Schülern, Mitgliedern der Hitlerjugend und des Kreuzchors, Künstlern, Musikern, aber auch des Kriegsgefangenen Kurt Vonnegut und nicht zuletzt Victor Klemperer sowie Piloten und Besatzungsmitgliedern der britischen und amerikanischen Verbände. Noch nie zuvor wurde das Ausmaß dieses Luftangriffs für die Zivilbevölkerung der Stadt so vielstimmig, emotional und zutiefst menschlich geschildert wie in diesem Meisterwerk der narrativen Geschichtsschreibung - und das noch lange, nachdem die letzte Seite umgeblättert ist, im Gedächtnis bleiben wird.

Sinclair McKay ist Literaturkritiker für denTelegraphund denSpectatorund Bestsellerautor der historischen BücherThe Secret Life of Bletchley Park,Bletchley Park BrainteaserssowieThe Secret Listeners. Er lebt in East London.

Vorwort

Dresden damals –
die Stadt im Spiegel der Zeit


An der Schlossmauer, im Schatten der Kathedrale, kann es gelegentlich passieren, dass das winterliche Zwielicht für einen atemberaubenden Moment sorgt. Wenn man sich umblickt, wird es einem vielleicht nur für einen flüchtigen Augenblick so vorkommen, als wäre man vollkommen allein. Und hier auf diesem dreieckigen Geläuf aus Kopfsteinpflaster und reicher Steinmetzkunst – dem Schlossplatz, der von dem großen Torbogen überragt wird, der zum Schlosshof führt, und der Kirchturmspitze, die sich hoch und scharf gegenüber dem violetten Himmel abzeichnet – kann sich die Zeit ihrer Fesseln entledigen.

Wenn Sie sich ein bisschen in Kunstgeschichte auskennen, finden Sie sich vielleicht ins frühe 19. Jahrhundert zurückversetzt, eine Figur, die in einem Gemälde Casper David Friedrichs eingefroren scheint; der Maler der Romantik lebte in Dresden und tauchte Kirchen und Kathedralen auf seinen Bildern in zitronenfarbenes Sonnenlicht. Vielleicht gehen Sie auch noch ein Stück weiter in der Zeit zurück und lustwandeln in einer eleganten Landschaft Bellottos, der sich ebenfalls von der architektonischen Eleganz angezogen fühlte – weitläufige Marktplätze, wunderschön proportionierte Häuser und öffentliche Prachtbauten prägten das Bild der Stadt in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Wenn Sie lang genug dort stehen, nehmen Sie auch die Musik wahr, die die damaligen Künstler gehört haben müssen: die Glocken der Katholischen Hofkirche, deren Klang eine gewisse Dringlichkeit hat, wenn nicht gar fast schon nach Aufruhr klingt, sowie einen tieferen Nachhall, als würden sie grollen.

Und in dieser Beinahe-Nichtübereinstimmung kann es passieren, dass sich die jüngere, weitaus schrecklichere Vergangenheit ebenfalls einstellt, wie ein uneingeladener Gast; viele Menschen, die sich hier gerade aufhalten, können gar nicht anders, als sich das tiefe Brummen der Flugzeugmotoren über sich vorzustellen. Der Himmel erleuchtet von grünen und roten Leuchtraketen, gefolgt von lodernden Flammen in der ausgebrannten Kathedrale, die noch höher aufragen.

Solche Visionen beschränken sich nicht auf diesen einen Ort. Nur einige Meter von diesem Platz liegt die Brühlsche Terrasse, die die Elbe und ihre erstaunlich breiten Uferflächen überblickt. Heute wie damals erstreckt sich dieser Teil der Dresdner Befestigungsanlage entlang der Kunstakademie, die von einer glänzenden Glaskuppel gekrönt wird. Genau wie bei der Hofkirche mäandert jeder Spaziergang in zwei zeitlich verschiedenen Sphären – Sie sind gleichzeitig hier in der Gegenwart und bestaunen die Elbe, die sich durch das Tal schlängelt, und gleichzeitig sehen Sie im kalten, klaren Nachthimmel Hunderte Bomber, die von Westen auf die Stadt zuhalten. Sie stellen sich die verängstigte Bevölkerung vor, die der Hochofenhitze zu entrinnen sucht und instinktiv hinunter zum Fluss flüchtet. Das ist die makabre Wahrheit über Dresden: Jeder noch so schöne Augenblick trägt für den Bruchteil einer Sekunde auch immer das Bewusstsein von der schrecklich anmutenden Gewalt in sich. Alle Besucher dieser Stadt werden diesen kurzen Moment der Störung und Verwerfung gespürt haben; Unbehagen trifft es nicht, denn das Gefühl ist nicht gespenstischer Natur. Aber es gibt sie, die unbarmherzige Grausamkeit angesichts des Nebeneinanders von märchenhaft anmutender Architektur und dem Wissen, was sich hier ereignet hat. Und natürlich wurden hier Illusionen auf Illusionen errichtet: viele der märchenhaften Bauten, die wir heute bestaunen können, sind bei der Katastrophe zerstört