: Dietrich Bonhoeffer
: Peter Zimmerling
: Du wartest jede Stunde mit mir Die Briefe aus dem Gefängnis
: Brunnen Verlag Gießen
: 9783765575266
: 1
: CHF 14.20
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: Briefe, Tagebücher
: German
: 368
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Es gibt hier in der Zelle keine größere Freude als Briefe' - Briefe waren für Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis eine Art Lebenselexier. Durch die Briefe, veröffentlicht unter dem Titel 'Widerstand und Ergebung', konnte Bonhoeffer weiterhin Anteil nehmen am Leben seiner Lieben - seiner Eltern Karl und Paula Bonhoeffer, seiner Verlobten Maria von Wedemeyer und seinem Freund Eberhard Bethge. Und in den Briefen, die Bonhoeffer aus dem Gefängnis heraus selber schrieb, konnte er sich der Außenwelt mitteilen. Persönliches und theologische Überlegungen sind daher in diesen Briefen untrennbar miteinander verwoben. Durch seine Briefen wird sich Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis bewusst, dass es nicht um Religion als einen isolierten Bereich des Lebens geht, sondern darum, ganz Mensch zu sein, um ganzheitliche Nachfolge - darum, mit all seinen Bedürfnissen ganz diesseitig an Christi Leben, aber auch an seinem Leiden und Sterben teilzuhaben - und Verantwortung für diese Welt und auch für kommende Generationen zu tragen. Die Briefe an seine wichtigsten Bezugspersonen - seine Eltern, seine Verlobte und seinen besten Freund - sind in dieser Ausgabe erstmalig chronologisch zusammengestellt, denn in 'Widerstand und Ergebung' sind seine Briefe an Maria von Wedemeyer nicht enthalten.

Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) war ein lutherischer Theologe, profilierter Vertreter der Bekennenden Kirche und am deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. Er war Leiter des Predigerseminars der Bekennenden Kirche in Finkenwalde und schloss sich ab 1938 dem Widerstand um Admiral Wilhelm Franz Canaris an. 1940 erhielt er zunächst Rede-, ab 1941 auch Schreibverbot. 1943 wurde er verhaftet und am 9. April 1945 als einer der letzten NS-Gegner, die mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht wurden, im KZ Flossenbürg hingerichtet. (Quelle Wikipedia)

34. An Eberhard Bethge


18. November 1943

Lieber Eberhard!

Ichmuss die Gelegenheit Deiner Nähe einfach wahrnehmen, Dir zu schreiben. Du weißt ja, dass man mir hier sogar den Pfarrer versagt hat; aber selbst wenn er gekommen wäre – und ich bin eigentlich ganz froh, dass ichnur die Bibel habe –, hätte ich mit ihm ja nicht so sprechen können, wie ich es eben allein mit Dir kann.

Du kannst Dir kaum denken, wie ich in den ersten Wochen meiner Haft darum gebangt habe, dass Dir Deine Heiratspläne nicht zerschlagen würden, ich habe sehr für Dich gebetet und für Renate und Gott für jeden Tag gedankt, an dem ich Gutes von Euch hörte. Auch Euer Hochzeitstag warwirklich ein Freudentag für mich wie ganz wenige. Später im September habe ich darunter gelitten, Dir nicht beistehen zu können. Aber die Gewissheit, dass Du bisher so unglaublich freundlich geführt worden bist, hat mich ganz zuversichtlich gemacht, dass Gott es sehr gut mit Dir meint. Dass Ihr ein Kind erwartet, Eberhard, das freut mich so, wie ich es gar nicht sagen kann. Lass uns dieses Kind auf seinem Weg in die Welt mit vielen, vielen Gebeten begleiten!

Und nun sei mir heute – nach so langen Monaten ohne Gottesdienst, Beichte und Abendmahl und ohne consolatio fratrum [Rat der Brüder] – wieder einmal, wie Du es schon so oft gewesen bist, mein Pfarrer und höre mich an. Es wäre ja so unendlich viel zu berichten, was ich Euch beiden gern erzählen wollte; aber heute kann es nur das Wesentlichste sein und so gilt dieser Brief Dir allein. Was Du davon weitergeben kannst, weißt Du allein. Seit Du einmal vor vielen Jahren für mich und mit mir gebetet hast – ich vergesse das nie –, glaube ich, dass Du für mich bitten kannst wie kein anderer. Darum wollte ich Dich bitten und auch ich tue es täglich für Dich. Und nun lass Dir also einiges berichten, was Du über mich wissen sollst. In den ersten 12 Tagen, in denen ich hier als Schwerverbrecher abgesondert und behandelt wurde – meine Nachbarzellen sind bis heute fast nur mit gefesselten Todeskandidaten belegt –, hat sich Paul Gerhardt in ungeahnter Weise bewährt, dazu die Psalmen und die Apokalypse. Ich bin in diesen Tagen vor allen schweren Anfechtungen bewahrt worden. Du bist der einzige Mensch, der weiß, dass die „acedia“ [