Zweites Kapitel
»Du bist ein Zauberer«, sagte sie und versuchte, das Beben in ihrer Stimme zu beherrschen. Sie hatten einen Schwips von dem Prosecco, das stimmte. Doch sie wollte sich jetzt nicht von ihm umarmen lassen. Das schien ihn zu bekümmern, aber sie bestand auf einer Erklärung. Vielleicht war sie angetrunken, aber gesehen hatte sie etwas.
»Kein Mensch besitzt solche Kräfte, Sarah«, entgegnete er nach einer Weile. »Ich tu's nicht, da kannst du sicher sein.«
»Aber hast du nicht gesagt, du hättest den Nebel heraufbeschworen?« Sie wollte nichtdiese Leute sagen.
»Damit habe ich dich aufgezogen. Ich wollte, ich könnte es dir erklären, aber das kann ich nicht. Der Zauberspruch, den ich dir im Café vorlas, lässt sich nahezu unmöglich auf Englisch wiedergeben.«
»Lass ihn in jeder Sprache ungesagt, besten Dank. Er scheint sehr wirkungsvoll zu sein.«
Er warf einen Blick zum Fenster und sah sie dann wieder an, ohne zu antworten. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich aufeinandergepresst.
»Wo hast du das Buch überhaupt her?«
»Ich habe es in einem Antiquariat gefunden, wie schon gesagt, und für ein paar Euro gekauft.«
»Richtig. Wollte das nur überprüfen. Es ist also kein Familienerbstück oder so.«
»Nicht ganz.« Er lächelte schwach.
»Wie meinst du das? Ich mag keine unklaren Antworten.«
Marco schien bemüht, seine Gedanken zu sammeln. »Sarah, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wie könnte ich der einzige Besitzer eines so alten Buches sein? Andere haben auf die leeren Seiten ihre Anmerkungen gekritzelt –«
»Das habe ich gesehen«, warf sie mit gepresster Stimme ein. »Ich habe dich nicht für jemand gehalten, der in antiquarische Bücher kritzelt.«
»Nein, das tue ich nicht«, sagte er. »Wie auch immer, keiner schien das Buch zu verstehen, was mich neugierig machte. Ich vertiefte mich eine Weile in die Verse und erkannte, dass ich sie verstehen konnte. Und als ich das Titelblatt betrachtete, wurde mir klar, dass ich entfernt mit seinem Autor verwandt war. Wir haben denselben Nachnamen. Einige, die ihn auch trugen, übten sich einst in schwarzer Magie.«
»Und deshalb nennst du dich Marco. Kein Nachname. Nichts zu verbergen, hm?«
»Nein«, stieß er hervor. »Das liegt Jahrhunderte zurück, als Aberglaube und Wissenschaft häufig dasselbe waren.« Er war sich nicht sicher, ob er sie überzeugt hatte.
Natürlich führte mehr als ein Weg dorthin. Sie widerstand der Bitte in seinem schmachtenden Blick und blieb, wo sie war. »Kein Einwand dazu. Aber etwas ist seltsam an diesem kleinen Buch, und das hast du gewusst.«
»Sarah, ich bin ein Mann der Vernunft.«
»Hmpff.«
Marco lehnte sich an das Bettgestell zurück. »Wie gesagt, fand einer meiner Freunde, der Pariser Gelehrte, das Ganze recht bemerkenswert und bat mich, es für ihn ins Französische zu übersetzen.«
»Gelehrter, ha. Wohl eher Hexenmeister.«
Marco stöhnte auf. »Ich sage dir, so etwas gibt es nicht. Aber vielleicht ...«
Sie musterte ihn wachsam.
Er holte tief Luft und setzte erneut an. »Vielleicht gab es das einmal, vor langer Zeit. Immer wenn ich einen Zauberspruch übersetzt hatte, geschah gleich darauf etwas Eigenartiges. Kleinigkeiten – eine volle Tasse war plötzlich leer, oder ich hörte Schritte, die mitten in der Luft waren. Aber der eigene Verstand spielt jedem solche Streiche. So etwas wie diese Leute im Nebel habe ich noch nie gesehen.«
Ihr schauderte, doch ein abenteuerlustiger Teil fragte sich, ob es mö