Giorgio Mezzalira/Günther Pallaver1
Rechtsextremismus. Eine Annäherung L’estrema destra. Uno sguardo d’insieme
1. Rechtsextremismus, eine Annäherung
Es gibt keine allgemeingültige Definition des Begriffs Rechtsextremismus, sondern einen Pluralismus von Begriffen und Zugängen. Das beginnt bereits mit der Beschreibung desselben Phänomens durch unterschiedliche Begriffe wie beispielsweise Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus oder Neue Rechte. Die verschiedenen Definitionen stehen einander nicht streng abgegrenzt gegenüber, sondern orientieren sich an bestimmten Betonungen, Schwerpunktsetzungen und Varianten. Die Einengung auf einen einzigen Begriff würde wahrscheinlich einen zu hohen Abstraktionsgrad nach sich ziehen, würde dadurch zu allgemein und damit zu unscharf. Oder aber eine solche Definition würde zu kurz greifen und damit möglicherweise wichtige Aspekte des Rechtsextremismus vernachlässigen, ausschliessen.
Als erste Annäherung kann man unter Rechtsextremismus unterschiedliche Orientierungen, Einstellungen und Verhaltensweisen verstehen, die aufeinandertreffen und sich zu einer rechtsextremen Einstellung verdichten. Dazu gehört ein übersteigerter Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, ein autoritär-konservatives, hierarchisches Familien- und Gesellschaftsbild und die Ablehnung der Demokratie. Solche Verhaltensweisen gelten als extremistisch, wenn sie sich aktiv und kämpferisch gegen wesentliche Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie etwa gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip wenden (Jaschke 2006). Auf eine Kurzformel gebracht ist der Rechtsextremismus antipluralistisch, antidemokratisch und antiliberal. Der demokratische Verfassungsstaat wird zugunsten einer autoritären Herrschafts- und Staatslogik abgelehnt (Edler 2018). Daraus ergibt sich ein kleinster gemeinsamer Nenner, der vielleicht dem Facettenreichtum des Rechtsextremismus nicht in jeder Hinsicht gerecht wird, aber den Wesensgehalt auf den Punkt bringt, unabhängig von den nationalen Besonderheiten und historischen Rahmenbedingungen: Der Rechtsextremismus negiert die Idee der Aufklärung, dass alle Menschen kraft ihrer Menschenwürde frei und gleich sind. Das bedeutet, dass wir alle jene politischen Ideen, Strömungen oder Einstellungen, Verhaltenswiesen und Orientierungen als rechtsextrem bezeichnen können, die sich gegen die Menschenrechte richten (Oswald 1989, 28).
Trotz aller Unterschiede werden die Rechtsextremismen durch eine Reihe von Grundnormen verbunden:
i. Der Geschichts-Revisionismus, die damit verbundene Verachtung der Opfer (etwa durch Verschweigen, Leugnung des Holocoust), die Rehabilitierung der Täter und die Negierung von Verbrechen, die Bekämpfung der Widerstandskämpfer/-innen, der Mythos des faschistischen/nationalsozialistsichen Staates (Reichs-Mythos).
ii. Die Dekadenz-Theorie, die vom sittlichen Verfall von Kultur und Gesellschaft ausgeht, heute vor allem durch die Überfremdung durch afrikanische-arabische und islamische Zuwanderung. Damit wird von der unmittelbaren Gefahr der politischen, kulturellen, konfessionellen und ethnischen Überfremdung der eigenen Nation gewarnt.
iii. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus werden organisch-biologisch begründet. Rassismus äußert sich immer wieder in Formen der Gewalt gegen Fremde.
iv. Der Rechtsextremismus geht von einem organischen Demokratie-Konzept aus und kritisiert deshalb die auf Freiheit, Gleichheit und Pluralismus basierende Demokratie und den Parlamentarismus. Den demokratischen politischen Systemen wird das Führerprinzip als Ausdruck der Stärke, der Ordnung, der Überlegenheit entgegengestellt.
v. Eine zentrale Bedeutung für den Rechtsextremismus ist die Volksgemeinschaft. Diese bildet die ethnisch (rassisch) homogene Gemeinschaft all jener Menschen, die in Abgrenzung zu allen anderen außerhalb der Volksgemeinschaft stehen, aus der alles Fremde zu beseitigen gilt. Den Anderen gegenüber versteht man sich auch als „höherwertig.“ Die Ideologie der Volksgemeinschaft artikuliert sich an den Merkmalen Rassismus, Sozialdarwinismus/Bilogismus, Antisemitismus, Anti-Liberalismus, Anti-Marxismus, Bekämpfung von Demokratie, Kriegsverherrlichung, Führerprinzip und dergleichen mehr (vgl. Oswald 1989, 28; insgesamt dazu vgl. ausführlich Jaschke 2006).
In der Vergangenheit befanden sich rechtsextreme Parteien, Bewegungen und Gruppierungen am Rande des politischen S