»Christine wird untröstlich sein, wenn sie erfährt, daß ihre Freundin Sabine wegzieht.«
»Hast du es ihr denn noch nicht gesagt?«
»Nein, Sabines Mutter bat mich, damit zu warten, bis es ganz sicher ist. Erst dann wollen sie es Sabine sagen.«
Herr Breuer nickte. Sabines Eltern waren sehr umsichtig, das mußte er zugeben. Für die beiden kleinen Mädchen, seine Tochter Christine und die ebenfalls fünfjährige Sabine mußte es eine Katastrophe sein, sich nicht mehr sehen zu können. Sie waren praktisch zusammen aufgewachsen. Wenn Christine nicht hier war, wenn er nach Hause kam, brauchte er nicht lange zu fragen. Sie war drüben bei den Nachbarn, in der anderen Hälfte des Doppelhauses.
»Barbara erzählt, daß sie immer noch keinen Nachmieter oder Käufer gefunden haben. Die Zeit wird immer knapper. Zur Not müßten sie ihr Haus erst einmal leerstehen lassen.«
»Das würde mir aber nicht besonders gefallen, ehrlich gesagt. Wer weiß, welches Gesindel das anzieht.«
»Ach, nun sei mal nicht so pessimistisch. Noch sind ja acht Wochen Zeit, bis sie wegmüssen.«
»Die vergehen schnell. Ist Christine drüben?«
»Ja. Ich lasse sie noch so viel wie möglich mit Sabine spielen. Die beiden tun mir so leid…«
»Christine hängt sich aber auch immer mit ganzem Herzen an Menschen, die sie mag. Das macht es noch schwieriger. Ich weiß gar nicht, von wem sie diesen Absolutheitsanspruch hat.«
»Aber ich«, gab seine Frau Daniela zurück und lächelte. Sie konnte sich noch sehr gut an ihr Kennenlernen erinnern. Auf einer Party ihrer Freundin Rosi war das gewesen. Horst hatte sie gesehen und war ihr von Stund an nicht mehr von der Seite gewichen. Daß sie noch einen anderen Freund hatte, interessierte ihn nicht. Er teilte ihr unverblümt mit, daß sie die Frau sei, die er heiraten würde. Er könne warten, bis sie ihren Irrtum, weiter mit Olaf zusammenzubleiben, einsähe und zu ihm käme.
Daniela war gegen ihren Willen fasziniert gewesen. Immer öfter hatte sie an Horst denken müssen, wenn sie mit Olaf zusammen war, und ungerechterweise hatte sie Olaf dann auch noch mit ihm verglichen. Horst war ehrgeizig, wollte beruflich etwas erreichen, während Olaf die Dinge lieber an sich herankommen ließ. Von Heirat hielt er sowieso nichts. Nach einem heftigen Krach, sie wußte heute gar nicht mehr, worum es gegangen war, hatte sie mit ihm Schluß gemacht.
Und dann hatte Horst sie umworben, wie weder sie noch ihre Freundinnen es je erlebt hatten. Jeden Tag fand sie eine Rose vor, am Auto, vor der Haustür, im Büro. Er lud sie zum Dom, zum Picknick, zum Tanzen oder ins Theater ein. Und er bedrängte sie nicht körperlich, was ihr ungeheuer imponierte, denn ihre bisherigen Erfahrungen mit Männern waren andere gewesen.
Schließlich hatte sie zugestimmt, seine Frau zu werden. Sie hatten kurz darauf geheiratet und ein Jahr ihre Ehe zu zweit genossen. Dann war Daniela schwanger geworden, und ihr Glück hätte nicht größer sein können, als neun Monate später Christine geboren wurde.
Ihre kleine Christine! Ein sehr eigenwilliges Persönchen von Anfang an. Sie hatte einen ausgeprägten Dickkopf und versuchte auch stets, ihn durchzusetzen. Sie brauchte eine feste Hand ohne Strenge. Das war nicht immer leicht für Daniela, die gern spontan war und sich manchmal eine sanftere Tochter wünschte.
»Na, zurück von deiner Reise in die Vergangenheit?«
Daniela lächelte und drückte ihrem Mann einen Kuß auf die Stirn. Er hielt ihren Arm fest und zog sie zu sich hera