: Tanja Bruske
: Schlüssel der Zeit - Band 3: Das Geheimnis der Kommende Lokale Histo-Fantasy-Serie
: mainbook Verlag
: 9783947612369
: Schlüssel der Zeit
: 1
: CHF 4.50
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 153
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Noch nie hat Keyra sich so allein gefühlt. Mit niemandem kann sie über ihre Reisen in die Vergangenheit reden, denn ihre Großmutter ist schwer erkrankt. Zu allem Überfluss taucht ein ominöser Fremder auf, der behauptet, von einem geheimen Orden der Zeitwächter geschickt worden zu sein. Da erscheint es Keyra fast als willkommene Fluchtmöglichkeit, als sie wieder ein Schloss singen hört und sich kurz darauf in einem mittelalterlichen Johanniterkloster wiederfindet. Doch die Zukunft der Kommende und ihrer Bewohner ist bedroht, denn der rücksichtslose Ritter Johann von Rüdigheim fordert sein Recht. Keyra muss eine verschwundene Urkunde finden. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt ... Ein Abenteuer durch Zeit und Raum im Neuberg-Rüdigheim des 15. Jahrhunderts. Band 1 'Der Ruf der Schlösser' und Band 2 'Der Hexer von Bergheim' der Serie 'Schlüssel der Zeit' liegen ebenfalls als E-Books bei mainbook vor. Die Serie wird fortgesetzt.

2007 legt Tanja Bruske ihren ersten Fantasy-Roman 'Das ewige Lied' (neu aufgelegt bei mainbook) vor, mit dem sie den Wettbewerb des Radiosenders FFH 'Hessens verheißungsvollstes Manuskript' gewinnt. Ab Juni 2013 erscheint ihre Kinzigtal-Trilogie bei mainbook: 'Leuchte', 'Tod am Teufelsloch' und der Abschlussband 2017 'Fratzenstein'. Im September 2018 gewinnt Tanja Bruske mit ihrer Novelle 'Der Henker und die Hexe' in Österreich den Titel 'Stadtschreiberin von Eggenburg 2018'. Die Novelle wird demnächst in einer Geschichtensammlung veröffentlicht. Seit 2014 schreibt Tanja Bruske zudem unter dem Pseudonym Lucy Guth für verschiedene Serien des Bastei-Verlages, zB 'Maddrax', seit 2019 auch für 'Perry Rhodan Neo'. Tanja Bruske studierte Germanistik sowie Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Johann-Wolfgang-Goethe-Univer ität in Frankfurt und arbeitet heute als Redakteurin bei der GNZ. Sie wohnt im hessischen Hammersbach mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern. Mit 'Schlüssel der Zeit' legt sie nun den Auftakt für eine lokale Histo-Fantasy-Serie vor.

1. Bibliotheksgespräche


„Tut nichts! der Jude wird verbrannt! Denn besser, es wäre hier im Elend umgekommen, als dass zu seinem ewigen Verderben es so gerettet ward. Zudem, was hat der Jude Gott denn vorzugreifen? Gott kann, wen er retten will, schon ohn‘ ihn retten.“

Die Worte tanzten vor Keyras Augen. Sie blinzelte müde und stützte den Kopf in die Hände. Vielleicht wäre sie wacher, wenn sie sich in den Lesegarten setzen könnte. Doch es nieselte und war ein ungemütlicher, grauer Mai-Tag. Vom Frühling, der Ende April pompös Einzug gehalten hatte, keine Spur mehr.

Normalerweise arbeitete sie aber auch gerne im Leseraum der Schulbibliothek der Hanauer Otto-Hahn-Schule – hier war es ruhig und gemütlich, und die netten Mitarbeiterinnen sahen darüber hinweg, dass Keyra einen Schokoriegel nach dem anderen vernichtete und schon den dritten Becher Kakao vor sich stehen hatte. Sie brauchte dringend Nervennahrung – und mal wieder ein paar Stunden ungestörten Schlaf.

Leider war das, was ihr den Schlaf raubte, auch schuld daran, dass sie sich nicht auf „Nathan der Weise“ konzentrieren konnte – obwohl das für die anstehende Deutscharbeit bitter nötig gewesen wäre. Zehn Tage war es jetzt her, dass ihre Großmutter in ihrem Garten zusammengebrochen und ins Krankenhaus gebracht worden war. Seitdem hatte Clara Schlosser das Bewusstsein nicht wieder erlangt. Und nach dem, was Keyra aus den Worten der Ärzte geschlossen hatte, war nicht sicher, ob sie überhaupt noch einmal aufwachen würde.

Keyra machte sich schreckliche Vorwürfe. Ihr Streit war für den Zusammenbruch ihrer Großmutter verantwortlich.Ich hätte sie nicht so unter Druck setzen sollen. Und alles war nur die Schuld dieses blöden Schlüssels.

Unwillkürlich wanderte ihre Hand zu der Kette um ihren Hals. Sie spielte damit und hatte nach kurzer Zeit den kleinen Kristallschlüssel zwischen den Fingern, drehte ihn hin und her und befühlte die glatte Oberfläche – so, wie sie es in den vergangenen drei Wochen schon so oft getan hatte.

Hätte Oma mir dieses Ding doch nie geschenkt, dachte sie bitter. Gleichzeitig fühlte sie dabei ein unerklärliches Schuldbewusstsein. So, als würde sie dem Schlüssel unrecht tun. Einerseits hatte sie furchtbare Angst vor dem hübschen, gar nicht gefährlich wirkenden Anhänger. Anderseits wollte sie ihn auch nicht ablegen. Sie spürte, dass das falsch gewesen wäre; dieser Schlüssel gehörte zu ihr, so wie die Nase in ihrem Gesicht.

Seit ihrer Rückkehr aus dem Jahr 1632 befürchtete Keyra, dass irgendwo wieder ein Schloss zu leuchten und zu singen beginnen würde, dass es sie wieder in eine andere Zeit riss, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Sie hatte den Tick entwickelt, das kleine ledergebundene Buch, das sie von ihrer Großmutter bekommen hatte, immer bei sich zu führen – nicht in ihrem Rucksack oder einer Handtasche, sondern in der Hosentasche ihrer Jeans. Sie wollte es dicht am Körper haben, damit es bei ihr sein würde, falls sie erneut unfreiwillig auf die Reise ging.

Ihr Vater und Lou machten sich Sorgen um Keyra, dachten aber, dass sie wegen ihrer Großmutter neben der Spur war. Keyra ließ sie in diesem Glauben – sie konnte ihnen schlecht erklären, was sie außerdem noch bedrückte. Die traurige Wahrheit sah so aus, dass der einzige Mensch, mit dem sie darüber hätte reden können, ihre Großmutter war.

Wie soll ich mich denn bei diesem ganzen Chaos auf den blöden Lessing konzentrieren?

Keyra ließ ihre flache Hand frustriert auf die Seiten des gelben Reclam-Heftes klatschen. Der Text erinnerte sie zudem an ihre jüngsten Abenteuer in der Vergangenheit.Tut nichts, der Jude wird verbrannt. Noch so ein religiöser Eiferer, der Unschuldige töten wollte – von denen hatte sie vorerst die Nase voll. Auch das Zitat: „Gott kann, wen er retten will, schon ohn‘ ihn retten“ machte ihr zu schaffen: Sie hatte ihre Freunde nicht retten können, und weder Gott noch sonst jemand hatte es an ihrer Stelle getan.

„Das ist nicht deine Aufgabe“, hatte Clara Schlosser zu ihr gesagt.

Keyra schnaubte wütend.Könnte bitte endlich mal jemand kommen und mir ganz genau erklären, was bitte meine Aufgabe ist?

Keyra fühlte sich allein und im Stich gelassen, und wieder einmal war sie den Tränen nahe.