DIE MUTTER
(sieht Alfred zu – plötzlich ergreift sie seine Hand, in der er das Messer hält, und schaut ihm tief in die Augen).
ALFRED
(stockt und starrt sie mit vollem Munde misstrauisch an. –Stille).
DIE MUTTER
(streicht ihm langsam über das Haar). Das ist schön von dir, mein lieber Alfred – dass du nämlich deine liebe Mutter nicht total vergessen hast, lieber Alfred –
ALFRED.
Aber wieso denn total vergessen? Ich wär ja schon längst immer wieder herausgekommen, wenn ich nur dazugekommen wär – aber heutzutag kommt doch schon keiner mehr dazu, vor lauterKrise und Wirbel! Wenn mich jetzt mein Freund, der Hierlinger Ferdinand, nicht mitgenommen hätt mit seinemKabriolett, wer weiß, wann wir uns wiedergesehen hätten!
DIE MUTTER.
Das ist sehr aufmerksam von deinem Freund, dem Herrn von Hierlinger.
ALFRED.
Er ist überhaupt ein reizender Mensch. In einer guten halbenStund holt er mich wieder ab.
DIE MUTTER.
Dann iss bitte nicht die ganze sauere Milch zusammen, ich hab sonst nichts dazum Antragen –
ALFRED.
Der Hierlinger Ferdinand darf ja gar keine sauere Milch essen, weil er einechronische Nikotinvergiftung hat. Er ist ein hochanständiger Kaufmann. Ich hab öfters mit ihm zu tun.
ALFRED.
Auch das.
(Stille.)
DIE MUTTER.
Bist du noch bei der Bank?
DIE MUTTER.
Sondern?
(Stille.)
ALFRED.
Ich taug nicht zum Beamten, das bietet nämlich keine Entfaltungsmöglichkeiten. Die Arbeit im alten Sinnerentiert sich nicht mehr. Wer heutzutag vorwärts kommen will, muss mit der Arbeit der anderen arbeiten. Ich hab mich selbständig gemacht. Finanzierungsgeschäfte und so –(er verschluckt sich und hustet stark).
ALFRED.
Jetzt wär ich aber fast erstickt.
DIE MUTTER.
Ich freu mich nur, dass es dir schmeckt.
(Stille.)
ALFRED.
Apropos ersticken: wo steckt denn die liebe Großmutter?
DIE MUTTER.
Mir scheint, sie sitzt in der Küch und betet.
DIE MUTTER.
Sie leidet halt an Angst.
DIE MUTTER.
Vergiss ihr nur ja nicht zu gratulieren – nächsten Monat wird sie achtzig, und wenn du ihr nicht gratulierst, dann hab ich hier wieder dieHöll auf Erden. Du bist doch ihr Liebling.