: Christoph Keller
: Benzin aus Luft Eine Reise in die Klimazukunft - Reportagen und Essays
: Rotpunktverlag
: 9783858698582
: 1
: CHF 15.30
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 200
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Klimastreiks haben geschafft, was bislang noch kein politisches Gipfeltreffen erreicht hat: Die Klimakrise ist in den Köpfen angekommen. Zumindest in sehr vielen Köpfen. Ein Umdenken scheint möglicher denn je. Tatsächlich gibt es unzählige Wege, um nachhaltig, sozial, intelligent in die Zukunft zu schreiten. Wissenschaftler, Unternehmer und Aktivistinnen auf der ganzen Welt haben diesbezüglich schon ziemlich gute Ideen entwickelt. Dieses Buch führt uns dahin, wo diese Zukunft bereits heute sichtbar wird. Eine Reise an Orte, wo aus Luft Treibstoff gemacht wird, zu grünen Dächern über der Großstadt, zu Dörfern, die ihre Energie mehr als nur decken, zu Zementwerken, die aus Altbeton neuen Werkstoff machen. Ein Besuch auch bei Menschen, die sich einer anderen Denkweise verschrieben haben - dem Denken in Zyklen, in Kreisläufen, in komplexen, aber auch nachhaltigen Systemen. Dazu liefert es ein paar grundsätzliche Überlegungen zur Frage, wie wir in eine bessere, unverbrannte Zukunft gehen können. Morgen schon, wenn wir nur wollen.

Christoph Keller ist freischaffender Reporter, Autor, Moderator und Initiant der Plattform podcastlab.ch. Er leitete bis im Frühjahr 2019 die Redaktion Kunst& Gesellschaft von Radio SRF2Kultur, er ist Autor vieler Sendungen, Printreportagen und Essays, unter anderem auch zur Klimafrage. Christoph Keller war zuvor lange Jahre u.a. Reporter beim 'Magazin' des Tages-Anzeigers und hat als Redakteur und Reporter für die Wochenzeitung WOZ gearbeitet. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem zweimal mit dem Zürcher Journalistenpreis. Zudem ist er Lehrbeauftragter an der Zürcher Hochschule der Künste und Dozent an der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern. Christoph Keller lebt in Basel.

Mit Blick auf die Speisekarte


Verrückte Normalität


»Immer mehr!«, wird uns von den Plakatwänden herab zugerufen, bei der Werbung für Hypotheken, für Autos, für Versicherungen. Immer mehr – es wird für uns ein Lebensplan entworfen, in dem es, wie selbstverständlich, immer aufwärts gehen soll. Easy investieren, das Auto gehört zum Leben, Fliegen sowieso, man muss überall gewesen sein – »been there, done that«. Auch im Kleinen sind die Versprechungen groß. Laufend neue Klamotten, das neueste Mobiltelefon, die schnellste Datenübertragung, bloß nicht abgehängt werden. Wenn Kinder kommen, braucht es einen SUV, ein Haus im Grünen, man steht dann im Stau. Doch jetzt, in Zeiten der Klimakrise, wird diese lange eingeübte Normalität brüchig.

Am Anfang war das Steak.

Es lag dann aber nicht auf meinem Teller, so, wie ich mir das gewünscht hatte, und daran war Anja schuld. Anja, die alles sehr genau liest, auch eine Speisekarte, und die beiläufig gesagt hatte, es sei schon seltsam. Seltsam, dass bei den Speisen in den allermeisten Restaurants nach den Vorspeisen zuerst die Fleischgerichte, manchmal auch der Fisch aufgeführt sei, aber erst an dritter Stelle »Vegetarisches«. Diese Abfolge auf der Speisekarte in vielen Restaurants, meinte Anja, sei Ausdruck einer bestimmten Normalität, die selbstverständlich davon ausgehe, dass pflanzliche Ernährung zuletzt kommt, als das Außergewöhnliche.

»Fleisch ist wie das Auto: Die Mehrheit hat eins, aber eigentlich ist es untragbar, und das Steak, das du bestellen willst, ist wie ein SUV – zu groß, zu schwer, zu belastend.«

Anja, muss man wissen, ist die gewissenhafteste Person, die ich kenne. Sie produziert praktisch keinen Abfall, fährt niemals Auto, ist Vegetarierin. Anja kennt auch die ökologischen Kennzahlen zu Produkten, zu Dienstleistungen, und so bereitete sie mich auch an jenem Abend im Restaurant auf ein Zahlengewitter vor.

»Willst du es wirklich wissen?«

»Heraus damit.«

»In Sachen CO2