: Cesare Pavese
: Der Genosse Roman
: Rotpunktverlag
: 9783858698544
: Edition Blau
: 1
: CHF 19.10
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: Erzählende Literatur
: German
: 216
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sie nennen ihn Pablo, weil er Gitarre spielt. Alle in der Osteria rühmen sein Talent, doch einst für Geld aufzutreten, hat Pablo keine Lust. Ebenso wenig sieht er seine Zukunft hinter der Theke des Tabakladens seiner Mutter. Lieber spannt er dem besten Freund, Amelio, der nach einem Motorradunfall als Krüppel weiterleben muss, die Freundin aus. Nur bekommt er es bald satt, das Spiel, das Linda mit ihm treibt, mitsamt den Tanzlokalen und Varietés - und macht sich aus Turin nach Rom davon, wo ihm langsam die Augen aufgehen. Seinem Instinkt folgend, stößt er auf Leute, die Flugblätter verteilen, und befindet sich plötzlich inmitten des Widerstands gegen ein alles beherrschendes System, der auch Amelio wieder auf den Plan ruft. Der Genosse ist der Roman einer Politisierung. Paveses spiegelt die lähmende Atmosphäre des italienischen Faschismus im Milieu der sogenannt kleinen Leute. Das Grundthema seines Schreibens, das 'Handwerk des Lebens' aus dem belanglosen ins sinnvolle, wahrhaftige Dasein zu finden, setzt sich hier in ergreifender Weise fort.

Cesare Pavese, 1908 geboren, wuchs in Santo Stefano Belbo, Piemont, und in Turin auf. Als er sechs Jahre alt war, starb sein Vater. Nach dem Philologiestudium Übersetzung von englischer und amerikanischer Literatur. 1935 Verbannung nach Kalabrien. 1938 Eintritt in das Verlagshaus Einaudi, Turin; 1943 Übernahme der Leitung des Büros in Rom. Pavese gilt als wichtiger Vertreter des Neorealismo. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen neben *Der Mond und die Feuer* (1950) *Die einsamen Frauen* (1949) und sein Tagebuch *Das Handwerk des Lebens* (1952). 1950 erhielt Pavese den Premio Strega. Im August desselben Jahres, auf dem Höhepunkt seines literarischen Erfolgs, nahm er sich in einem Turiner Hotelzimmer das Leben.

I.


Sie nannten mich Pablo, weil ich Gitarre spielte. In der Nacht, in der sich Amelio auf der Straße nach Avigliana das Kreuz brach, hatte ich mit drei oder vier anderen einen Ausflug auf den Hügel gemacht – gar nicht sehr weit, man sah noch die Brücke –, und wir hatten unter dem Septembermond getrunken und gescherzt, bis wir wegen der Kühle drinnen weitersingen mussten. Da hatten die Mädchen zu tanzen angefangen. Ich spielte – Pablo hier, Pablo da –, aber lustlos, ich habe immer gern für Menschen gespielt, die einen Sinn dafür haben, doch die hier wollten nur immer noch lauter schreien. Meine Hand war feucht vom Nebel. Ich hatte dieses Leben satt.

Nun, da Amelio im Krankenhaus gelandet war, gab es keinen mehr, mit dem ich frei und ungehemmt reden konnte. Man wusste, dass es sinnlos war, ihn zu besuchen, denn er schrie und fluchte Tag und Nacht und erkannte niemanden. Wir gingen und schauten uns das Motorrad an, das noch im Graben lag, neben einem Prellstein. Die Gabel war gespalten, das Rad abgesprungen, ein Wunder, dass es nicht in Brand geraten war. Blut war keines am Boden, aber Benzin. Später holten sie es mit einem Karren ab. Ich habe Motorräder nie gemocht, aber das hier war wie eine zertrümmerte Gitarre. Zum Glück erkannte Amelio niemanden mehr. Dann hieß es, vielleicht werde er durchkommen. An diese Dinge dachte ich, während ich im Laden bediente, und da es sowieso keinen Sinn hatte, besuchte ich ihn nicht und sprach mit niemandem mehr über ihn. Abends auf dem Heimweg dachte ich dann, dass ich mit allen geredet, aber niemandem gesagt hatte, wie hundeelend allein ich war, und zwar nicht, weil Amelio nicht mehr da war – er fehlte mir auch deshalb. Ihm hätte ich vielleicht gesagt, dass dieser Sommer der letzte war und dass ich die Osterien, den Laden und die Gitarre satthatte. Er hätte es verstanden.

Dann erfuhren wir, dass Amelio von oben bis unten eingegipst war und seine Beine abstarben. Ich dachte Tag und Nacht daran und hätte gewollt, dass mir die Leute nichts mehr über ihn erzählten. Jetzt hieß es, er habe in jener Nacht ein Mädchen dabeigehabt, sie sei auf die Wiese geschleudert worden, ohne sich auch nur einen Kratzer zu holen, sie seien gefahren wie die Irren und betrunken gewesen, so was müsse doch irgendwann schiefgehen. Es gab eine Menge Gerede. Eines Tages zeigte m