Kapitel 1
Frank Linde dachte sofort an Schneewittchen, als er Liva Arth das erste Mal sah: pechschwarze, wilde Locken, die sich besonders von dem weißen Kopfkissenbezug abhoben. Blasse Haut und brombeerrot geschminkten Lippen, schon morgens vor dem Frühstück. Hinreißend in ihren Kontrasten. Er hätte sich als einer der sieben Zwerge verkleidet, nur um länger mit ihr zusammen zu sein.
Ihr Bild blieb in seinem Gedächtnis haften wie ein Reklamezettel, der auf der nassen Windschutzscheibe klebt und die tapferen Bemühungen des Scheibenwischers ungerührt zur Kenntnis nimmt. Auch wenn Frank Salmiak umfüllte oder kurz vor dem Abendessen eine Leiche durch den Flur schob, bekam er Livas schwarz umlocktes Gesicht nicht aus dem Sinn. Für immer festgeklebt.
Liva könnte ein Engel sein, dachte er,der aus dem Himmel auf seine Straße gefallen war. Natürlich Unsinn, aber vorstellbar.
Nach ihren eigenen Worten war Liva in einem Krankenhaus in Tübingen geboren. Hatte die übliche Kindheit hinter sich. Aufgeschlagene Knie und karieslose Zähne, wegen der Fl